© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/03 16. Mai 2003

 
Kolumne
Antitotalitär
Hans-Helmuth Knütter

Nach 1945 erlangte die Totalitarismustheorie durch Gelehrte wie Hannah Arendt, Zbigniew Brzezinski und Carl Joachim Friedrich nicht nur wissenschaftliche, sondern auch politische Bedeutung. Bereits in den dreißiger Jahren als Reaktion auf den stalinistischen Kommunismus und den Nationalsozialismus entstanden, wurde nun der Antitotalitarismus eine Fundamentalnorm der Bundesrepublik.

Als "totalitär" galt eine Diktatur, die nicht nur das politische Verhalten der Bürger bestimmt, sondern auch das Denken bis in den privaten, ja intimen Bereich hinein reglementieren und kontrollieren will. Die liberale Demokratie galt als positiver Gegentyp, eben als antitotalitär, gleichermaßen gegen Zumutungen von links wie von rechts gerichtet. Darauf kam es an: Unter dem Oberbegriff des Totalitarismus galten sowohl Kommunismus als auch Nationalsozialismus/Faschismus als Gegner.

Man kann sich denken, wie wütend besonders die Kommunisten die Totalitarismustheorie bekämpft haben. Sahen sie sich doch mit ihren Todfeinden, den "Faschisten" gleichgesetzt. In der BRD aber äußerte sich die "Gemeinsamkeit der Demokraten" , die "streitbare Demokratie", unbeugsam im Kampf gegen Links und Rechts.

Als 1951 zwei Parteiverbote beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet wurden, richtete sich dies sowohl gegen die rechtsextreme Sozialistische Reichspartei als auch gegen die linksextreme KPD.

Heute aber leben wir in einer "anderen Republik". Der Antitotalitarismus hat sich als eine Kopfgeburt erwiesen, nur möglich in Universitätsseminaren. In der politischen Praxis aber stößt er sofort an seine Grenzen und sprengt diese. Sowohl gegen die Kommunisten als auch gegen die "Faschisten" zu kämpfen, jedoch nicht gemeinsam mit den Kommunisten gegen die "Faschisten", selbstverständlich auch nicht gemeinsam mit den "Faschisten" gegen die Kommunisten - das überfordert viele Zeitgenossen politisch wie intellektuell.

Der Antitotalitarismus ist in der Praxis gescheitert. Schon längst praktiziert die Linke einen einseitigen Antifaschismus. Deshalb sollten sich die "Rechten" nicht einreden lassen, sie müßten sich auch nach rechts abgrenzen.

Das benachteiligt sie gegenüber den Linken, die den Antitotalitarismus schon lange über Bord geworfen haben und hemmungslos, aber effektiv mit linken Extremisten kooperieren

 

Prof. Dr. Hans-Helmuth Knütter lehrte Politikwissenschaften an der Universität Bonn.


 
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