© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/03 16. Mai 2003


Neue Technologien: Eizellen aus embryonalen Stammzellen
Nach deutschen Kriterien keine Wissenschaftlerin
Angelika Willig

Bei dem, was man alles aus Stammzellen machen kann, wundert einen schon gar nichts mehr. Die Alchemisten hätten daraus sicher Gold gemacht, aber uns reicht es schon, wenn man Geld sparen kann. 2000 Dollar erhält eine Frau in den USA für eine Eizellenspende. Und der Bedarf an Menscheneiern ist steigend. Was machen wir, wenn die Frauen eines Tages 4.000 Dollar verlangen?, hat man sich auch im Labor des deutschen Stammzellforschers Hans Schöler an der University Pennsylvania gefragt. Er unternahm allerlei Anstrengungen, um embryonale Stammzellen (ES) des Menschen dazu zu bringen, sich zu Eierstock-Gewebe zu differenzieren. Obwohl die Möglichkeit zu allen Zellarten in ES steckt, hatte es mit den Eizellen bisher nie klappen wollen. Zwar bedarf es überhaupt großer Mühe, ein gewünschtes Gewebe zu erhalten, doch mit Hautzellen, Nervenzellen, Drüsenzellen unter anderen hatte es bereits funktioniert. Schölers Genie bestand darin, gar nichts zu machen. Das heißt, nichts Besonderes, er ließ nur embryonale Stammzellen der Maus in einer Standardnährlösung wachsen. Dabei lösten sich kleine Klumpen, die von Schölers Mitarbeiterin Karin Hübner - einer einfachen Medizinisch-Technischen-Assistentin - nicht weggeworfen, sondern separat beobachtet wurden. Schölers Genie bestand also genau genommen darin, gar nichts zu tun und Karin Hübner aus Deutschland mitzubringen, wo man einsatzfreudige Menschen schlecht behandelt. Zum Dank prangt nun auch ihr Name unter dem Artikel in „Science“, denn „in den USA zählt weniger der Titel als die Leistung“. Um es kurz zu machen, aus den follikelartigen Klumpen „schlüpften“ nach einiger Zeit die Eier - genau wie es sich jeden Monat in den Tiefen der Frau zuträgt. Sogar Östrogene kann der „künstliche Eierstock“ produzieren. Läßt sich diese Methode perfektioniert auf den Menschen übertragen, wovon Schöler ausgeht, kämen Labor-Eier künftig billig wie aus der Legebatterie.

Nicht ganz einfach wird es sein, gegen diesen Fortschritt neue ethische Bedenken zu formulieren. Der Verbrauch an Embryonen durch Stammzellforschung ist bereits ausgiebig kritisiert worden. Aber was ist mit den Embryonen, die aus stammzellgebürtigen Eizellen stammen, wenn jemand auf die Idee kommen sollte, diese zu befruchten? Maria Böhmer, die CDU-Sachverständige für Biotechnik, spricht ihnen den gleichen rechtlichen Status zu wie normalen Embryonen. Gewöhnungsbedürftig wäre es allerdings, wenn ein „überzähliger“ Embryo, der niemals geboren, sondern eingefroren wurde, auf diese Weise zum verantwortlichen Elternteil würde. Da aber vorläufig niemand an diesem Experiment Interesse hat, werden eher die finanziell relevanten Bedürfnisse von Frauen in Frage kommen, die keine Eizellen (mehr) produzieren - sowie homosexuelle Männer, die miteinander Kinder haben möchten. Denn Kinder brauchen wir ja.

- An der Definition des Embryo als befruchtete Eizelle ändert die neue Technik nichts. Sie greift nicht ins Erbgut ein und gehört daher nicht zur Gentechnik, sondern nur zur Fortpflanzungsmedizin, im Grunde Erweiterung der künstlichen Befruchtung auf die Frauen, die keine Eier mehr produzieren können - oder auf Homosexuelle.

- Spart Eizellen zum therapeutischen Klonen

- Die Frage dahinter ist, ob ein künstlich entstandener Embryo noch die gleichen Rechte genießt wie der, von dem man bei der Gesetzgebung ausgegangen ist. Das fragt sich schon ...


 
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