© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/03 23. Mai 2003

 
Neue Technologien: Xenotransplantation mit transgenen Schweinen
Nierchen einmal nicht in Weißwein
Angelika Willig

Wenn man seiner Beobachtung trauen darf, ist der Mensch eine Art Kreuzung zwischen Affe und Schwein. Er ist nackt und kann nicht auf Bäume klettern, besitzt aber die flinken Kletterhände, denn ein Schwein könnte keine Maus halten, obwohl es für ein einfaches Computerspiel sicher schlau genug wäre. Das interessiert aber niemanden. Hausschweine kommen weder im Zoo noch im Zirkus vor. Die gesellschaftliche Rolle des Schweines war bisher auf das Kotelett beschränkt.

Das dürfte sich nun ändern. Am Institut für Tierzucht in Mariensee wachsen junge Ferkel heran, deren hohe Bestimmung die Rettung von Menschenleben ist. In gewisser Weise ist zwar auch die Fleischproduktion ein Mittel zum Überleben, aber man kann ja schließlich Vegetarier werden. Wer hingegen ein schweres Nierenleiden hat, dem hilft nichts als eine neue Niere. Mit Soja-Bratlingen ist ihm kaum gedient. Mit einer Schweineniere normalerweise auch nicht, denn die will der menschliche Körper nicht haben. Er fühlt sich ob der Verbindung zum Borstenvieh gekränkt und verweigert die Annahme. Aber immerhin passen schweinische Organe uns in der Größe gut, was man von der Maus nicht sagen kann. Man könnte natürlich die Maus gentechnisch auf Schweinegröße strecken, aber das wäre noch ein Schritt mehr an wissenschaftlicher Anstrengung. Beim Schwein braucht "bloß" die Erbinformation für bestimmte Oberflächenmoleküle entfernt zu werden - mit den als "Genscheren" bekannten Enzymen - , und schon erkennt das menschliche Immunsystem die fremden Eindringlinge nicht mehr. Allerdings ist das keine ganz einfache Operation, und die Niere würde dann ähnlich teuer werden, wie sie auf dem Schwarzmarkt der osteuropäischen Zulieferer inzwischen sein soll. Die wenigen gelungenen Transschweine dürfen also nicht einfach verbraucht werden. Man stellt vielmehr Kopien her, damit auch Kassenpatienten möglichst bald zum Zuge kommen. Zum Lachen ist die Sache nicht: Immerhin ein Drittel der Patienten, die auf der Anwärterliste für Organtransplantationen stehen, sterben sozusagen im Wartezimmer.

Die angewandte Vervielfältigungstechnik nennt man "reproduktives Klonen", und sie ist beim Menschen überall streng verboten, wie gerade auf der Internationalen Klon-Konferenz in Berlin bestätigt wurde. Dabei sinkt das medizinische Risiko unbestreitbar. Die Ferkel von Mariensee sind keine bloßen Klonexperimente wie das Schaf Dolly, sondern schon für die Anwendung vorgesehen. Das Klonen von Tieren wird als anerkannte Methode der Fortpflanzung behandelt. So verlagert sich die Ablehnungsbegründung immer mehr auf das Ethische. Der wahre Einwand dürfte aber sein, daß es bisher keinen zureichenden Grund gibt, Menschen zu klonen. Der Kinderwunsch unfruchtbarer Paare ist zu schwach, um diesen radikalen Eingriff zu rechtfertigen. Ein ethischer Grund, der die ethischen Bedenken überwöge, ist - bisher - nicht greifbar.


 
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