© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/03 13. Juni 2003

 
Carl-Wolfgang Holzapfel
Für Deutschland
von Peter Freitag

Als die Berliner Mauer gerade 28 Jahre alt wurde, legte sich ein Mann - Mitglied der "Vereinigung 17. Juni 1953" - in eine schwarzrotgoldene Fahne gehüllt über die "weiße Linie" am Checkpoint Charlie, die den amerikanischen vom sowjetischen Sektor trennte. Carl-Wolfgang Holzapfel wollte auf diese Weise gegen die Teilung Deutschlands protestieren und veranschaulichen, daß eine Stadt und ein Land geteilt ebensowenig lebensfähig sind wie ein Mensch.

Den Grenzposten der DDR und den westlichen Journalisten, die dieses Schauspiel beobachteten, rief er damals - im August 1989 - zu, seinen 30. Jahrestag werde das Bauwerk nicht mehr erleben. Drei Monate später fiel das Schandmal unter dem Druck der mitteldeutschen Novemberrevolution zusammen. Darauf hingearbeitet hatte er schon seit langem. Obwohl kein "richtiger" 17er - 1953 war der in Schlesien geborene Holzapfel erst neun Jahre alt -, gehörte er seit 1962 der "Vereinigung 17. Juni 1953", einem der beiden Veteranen-Verbände der ehemaligen Teilnehmer des Volksaufstandes, an. Nach dem Tod des langjährigen Vorsitzenden Manfred Plöckinger im Dezember 2002 (JF 02/03), einem ehemaligen Bauarbeiter der Stalinallee, der 1953 unter schwarzrotgoldenen Fahnen mit durchs Brandenburger Tor gezogen und an den Folgen einer in DDR-Haft zugezogenen Krankheit gestorben war, übernahm Holzapfel die Leitung des Vereins.

Immer wieder hatte Holzapfel mit spektakulären Aktionen, unter anderem Hungerstreiks, gegen das Unrechtsregime in Mitteldeutschland protestiert. Im Oktober 1965 verhaftete ihn die Volkspolizei, als er, auf einem Transparent Freiheit für die politischen Gefangenen in der DDR fordernd, in der Friedrichstraße demonstrativ von Ost nach West marschierte, weil er sich 1961 geschworen hatte, daß diese Mauer sein Vaterland nicht trennen dürfe. Zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt, wurde er nach 13 Monaten von der Bundesregierung freigekauft. Als sich die bundesdeutsche Politik schließlich gegenüber dem SED-Regime "entspannte" - sprich eine faktische Anerkennung der DDR betrieb -, stieß dies auf den erbitterten Widerstand der 17er, die zu dieser Zeit folgerichtig erstmals mit dem Vorwurf des "Rechtsextremismus" belegt wurden.

Daß der 50. Jahrestag den 17. Juni wieder ins öffentliche Bewußtsein rückt, betrachtet Holzapfel nüchtern: Positiv sei das große Interesse vieler Jugendlicher an den Vorgängen des Volksaufstands. Die politische Führung des Landes allerdings zelebriere heute eher ihr schlechtes Gewissen. Denn trotz aller feierlichen Bekundungen verweigert der Staat den Opfern von damals immer noch eine angemessene Entschädigung für erlittenes Unrecht. Solche Doppelmoral, so Holzapfels Fazit, sei kaum geeignet, jüngere Menschen zu dem Freiheitsbewußtsein und der Zivilcourage zu erziehen, die man heute öffentlich preist. Daß es allerdings bessere Vorbilder gibt, hat er selbst bewiesen.


 
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