© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/03 13. Juni 2003

 
Unterweisung im Schauspiel
Hitlers Rhetoriklehrer
Matthias Bäkermann

Kaum ein Zeitgenosse wäre geneigt, der theatralischen und überschwenglichen Gestik Adolf Hitlers in seinen Reden irgendein rhetorisches Prädikat abzugewinnen, um von einer Faszination gar nicht erst zu sprechen. Zudem würde das martialisch gerollte R den Zuhörer eher an logopädischen Unterricht als an eine Schulung der Sprachgewandtheit denken lassen. Doch diese Tatsache täuscht darüber hinweg, daß in den Auftritten Hitlers seine Wirkung auf den damaligen Massengeschmack bewußt kalkuliert war. Insofern steckte darin ein moderner Ansatz von Politik, der heutzutage nicht nur als selbstverständlich gilt, sondern sogar viele Politiker-Auftritte eher dem "Diktat des Drehbuches" denn einer Inhaltsübermittlung unterwirft.

So fruchtet auch die von Goebbels gepriesene "Kunst der Massenführung" Hitlers weniger aus seinem "eigen gewachsenen Genie" als aus einer akribischen Vorbereitung mit berufenen Lehrern. Nicht nur der bekannte Photograph Heinrich Hoffmann kontrollierte per Kamera die Grimassen des Führers, diese erfuhren auch eine geschulte Anleitung durch den damals berühmten Operntenor Paul Devrient. In einem persönlichen Schauspiel- und Rhetorikunterricht vermittelte der gleichaltrige Mime - selbst vom persönlichen Umfeld Hitlers kaum wahrgenommen - während der Wahlkampfreisen Anfang der dreißiger Jahre in Hotelzimmern und Gastwirtschaften viele der später oft beobachtbaren rhetorischen Kniffe.

Dieser Umstand wurde erst nach dem Tode Devrients 1973 bekannt, als der Sohn des Tenors dessen Tagebücher an den Historiker und damals herausragendsten Hitler-Kenner Werner Maser weitergab, der diese zwei Jahre später in bearbeiteter Form herausgab. Nach nunmehr 28 Jahren, Dutzende von Monographien über Hitlers Kämpfer, Frauen, Hunde usw. und schätzungsweise acht Spiegel-Sondernummern später, beurteilen Autor und Verleger den Sättigungsgrad an Wissenswertem als noch nicht ausgereizt, um mit den neubearbeiteten Devrient-Tagebüchern auch noch den allerletzten Nebenforschungszweig der "Hitlerologie" zu bereichern.

Werner Maser (Hrsg.): Mein Schüler Adolf Hitler. Das Tagebuch seines Lehrers Paul Devrient. Universitas Verlag, München 2003, gebunden, 185 Seiten, 19,90 Euro


 
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