© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/03 13. Juni 2003

 
Frisch gepresst

Moderne in der Provinz. Irgendwie hat der Aufschwung Ost zu Kaisers Zeiten besser geklappt als mit unseren Volkskanzlern Kohl und Schröder. Das Universitätsstädtchen Jena jedenfalls erlebte zwischen 1890 und 1914 dank der Zeiss-Werke und ihrer großzügigen Stiftung eine grandiose wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Als ein geistiges Zentrum etablierte sich dabei der Verlag von Eugen Diederichs, der in den letzten Jahren schon häufiger Gegenstand kulturhistorischer Studien wurde. Zuletzt im Rahmen eines Sammelbandes über "Romantik, Revolution und Reform" (1999), dessen Mitherausgeberin, die in den USA lehrende Germanistin Meike G. Werner, das Thema nun monographisch angeht. Der Diederichs Verlag erscheint bei Werner als ein "Warenhaus der Weltanschauungen", der auch Martin Bubers Chassidismus anbot, dessen Sortiment sich aber besonders unter jenen jugendbewegten Kunden größter Beliebtheit erfreute, die es mit "nationaler Erneuerung" und "deutschem Sozialismus" hielten (Moderne in der Provinz. Kulturelle Experimente im Fin de Siècle Jena. Wallstein Verlag, Göttingen 2002, 368 Seiten, 24 Euro).

Mythos Oberost. Der Feuilletonist Paul Fechter hat die Legende in die Welt gesetzt, daß sich in Kowno, unter den Augen von Hindenburg und Ludendorff, eine Art "Weimar des Ostens" etabliert habe, wo Geister wie Arthur Moeller van den Bruck und Richard Dehmel ihren Kriegsdienst mit der Feder ableisteten. Dieser Intellektuellenzirkel steht nicht im Vordergrund der Dissertation von Vejas Gabriel Liulevicius, die sich mit deutscher Militärherrschaft in "Oberost", im Raum zwischen Kurland und Galizien, beschäftigt. Doch rückt er die "Kulturmission" der Militärverwaltung in den Vordergrund, bis man vergißt, daß des Kaisers Kriegers sich dort aufhielten, um die Armeen des Zaren zu bekämpfen. Das ausgezeichnete Werk ist von der "Hamburger Edition", dem Hausverlag des Reemtsma-Instituts, mit einem Umschlag versehen worden, der nicht zum Thema passende Fotos zeigt und damit einmal mehr "Ignoranz gegenüber der Bedeutung des Bildes als historische Quelle" demonstriert, was Markus Pöhlmanns Rezension zu Recht in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (4/03) anprangert (Kriegsland im Osten. Eroberung, Kolonisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg. Hamburg 2002, 374 Seiten, 35 Euro).


 
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