© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/03 27. Juni 2003

 
Frisch gepresst

Goldhagen. Nicht erst mit seiner 2002 erschienenen Monographie "Die katholische Kirche und der Holocaust" (JF 51/02) hat der amerikanische Politologe Daniel Jonah Goldhagen aufgezeigt, daß wissenschaftliches Arbeiten seines nicht ist. Zu Recht wurde das Buch darauf in fast jeder Rezension verrissen und damit der letzte Rest der verbliebenen Reputation nach seinem ersten Reinfall "Hitlers willige Vollstrecker" hinweggefegt. Der Berliner Kirchenhistoriker Michael Feldkamp macht sich trotzdem die Mühe und seziert Goldhagens Kritik am Antisemitismus Pius' XII. und der katholischen Kirche im allgemeinen und ihren "Verstrickungen" in den Holocaust im besonderen. Dabei reduziert er, nach Darlegung falscher Übersetzungen, Auslassungen und anderer "Stockfehler", die selbst eine Seminararbeit scheitern ließen, die "Studie" auf einen halbgebildeten Meinungsbeitrag und stellt nebenbei auch nobelpreisschwere Autoritäten wie Elie Wiesel bloß, der Goldhagens "gründliche Recherche" in Deutschland allen Schülern als Lektüre verordnen wollte (Goldhagens unwillige Kirche. Alte und neue Fälschungen über Kirche und Papst während der NS-Herrschaft. Olzog Verlag, München 2003, TB, 178 Seiten, 14,50 Euro).

Tschechische Sicht. Petr Pithart, Petr Prihoda und Milan Otáhal, tschechische Dissidenten und Beteiligte am demokratischen Umbruch, mußten 1991 die Geschichte ihrer böhmisch-mährischen Heimat noch unter Pseudonym veröffentlichen (ihr unüblicher geographischer Schwerpunkt nimmt bereits die Trennung von der Slowakei 1993 vorweg). Scheinbar hätte ihre Distanz zum dominierenden Kurs der Geschichtswissenschaft, der noch aus kommunistischen Zeiten weitestgehend auf nationalistischen Strömungen fußte, Unmut hervorgerufen. In ihrem historischen Rückblick vom 19. Jahrhundert bis zur Zerschlagung der Vielvölkerstaates 1939 wird nicht nur der Mythos der "nationalen Wiedergeburt" 1918, sondern auch jener um "Väterchen Masaryk" in Frage gestellt. Leider erfährt die Prager Politik in der Zwischenkriegszeit, besonders das Verhältnis zur ungarischen, polnischen und sudetendeutschen "Minderheit" keine ähnlich kritische Würdigung - die spätere Vertreibung samt Benes-Dekreten wird durch die Periodisierung gar nicht erst berührt (Wo ist unsere Heimat? Geschichte und Schicksal in den Ländern der Böhmischen Krone. Langen Müller, München 2003, 368 Seiten, 24,90 Euro).


 
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