© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/03 11. Juli 2003

 
Frisch gepresst

Diktaturbewältigung. Ein kleines, im Frühling 2000 veröffentlichtes Büchlein von Jan T. Gross hat in Polen eine Welle von "Vergangenheitsbewältigung" ausgelöst und das Selbstverständnis der Nation, die angeblich stets nur Opfer war, schwer erschüttert. Gross dokumentiert darin, wie die Juden des Kleinstädtchens Jedwabne im Juli 1941 von ihren polnischen Nachbarn ermordet werden. Im vierten Band des Jahrbuchs für Europäische Geschichte (Oldenbourg Verlag, München 2003, 312 Seiten, 39,80 Euro) bettet der Breslauer Historiker Krysztof Ruchniewicz Gross' Forschungen in die neue politische Geschichtslandschaft ein, die sich jenseits der Oder nach 1989 auftat. Lange politisch tabuisierte Themen werden entdeckt wie etwa der ukrainische Massenmord an Polen 1944 - ohne daß Ruchniewicz sich gerade hier von alten Gewohnheiten ganz freimachen könnte, da er mit keinem Wort die brutale polnische Unterdrückung der Ukrainer seit 1920 erwähnt. Polens neue Geschichtspolitik wird in diesem Band zusammen mit der spanischen Zeitgeschichtsforschung nach Franco als Variante intellektueller Diktaturbewältigung vorgestellt. Dabei fällt auf, daß unter dem Caudillo weniger zensiert und tabuisiert wurde als unter den Jaruselskis und Genossen.

Sudetendeutsche Dokumente. Die 1984 in vierter Auflage erschienenen "Dokumente zur Sudetenfrage", die schon lange vergriffen sind, haben unter der Leitung des Publizisten Fritz Peter Habel, der schon die vorherigen Ausgaben betreut hatte, eine fünfte Auflage erfahren. Dabei sind viele wichtige Dokumente ergänzt worden, die im Kontext der Demokratisierung der ehemaligen Tschechoslowakei nach Zusammenbruch des Eisernen Vorhanges und des Bestrebens der Nachfolgestaaten stehen, in die europäische Staatenfamilie mit ihrer nach wie vor geltenden "Altlast" der Benes-Dekrete aufgenommen zu werden. Entstanden ist ein faktenreiches Monument von knapp 1.500 Seiten, an dem keiner vorbeikommen kann, der sich wissenschaftlich der Geschichte der Deutschen in Böhmen und Mähren nähern möchte. Darüber hinaus kann Habels Standardwerk den Anspruch eines politischen Handbuches erheben, ohne dessen Kenntnis gegenwärtige Politik zwischen Tschechien, Deutschland und Österreich schwerer zu verstehen ist (Dokumente zur Sudetenfrage. Unerledigte Geschichte. Langen Müller, München 2003, 98 Euro).


 
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