© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/03 18. Juli 2003

 
LOCKERUNGSÜBUNGEN
Verfolgungsdruck
Karl Heinzen

Für den Kampf gegen die Schwarzarbeit soll nach den Vorstellungen des Bundesministeriums der Finanzen auf nationaler Ebene in Zukunft nicht mehr die Bundesanstalt für Arbeit, sondern alleine der Zoll zuständig sein. Hans Eichel bietet auf diese Weise nicht bloß einen Ausweg aus der Sinnkrise einer altehrwürdigen Institution, die durch die Verwandlung Deutschlands in ein EU-Binnenland beschäftigungslos zu werden drohte. Er bereitet zugleich einer härteren Gangart im Vorgehen gegen das organisierte Verbrechen heimlicher Wertschöpfung den Weg. Bislang wurde illegale Beschäftigung nämlich nur als eine Ordnungswidrigkeit geahndet. Schon bald wird man sie als Straftat verfolgen dürfen. Dazu wiederum braucht man Spezialisten mit polizeilichen Befugnissen. Eine Bewaffnung der bislang gegen die Schattenwirtschaft eingesetzten Beschäftigten der Arbeitsämter dürfte jedoch schon an den Kosten scheitern. Die Übertragung dieser Aufgabe auf den Zoll ist daher auch sachgerecht.

Sicherlich werden manche selbsternannten Verteidiger der Marktwirtschaft nun wieder aufheulen und die Politik etatistischer Anwandlungen bezichtigen. Ihr Vorwurf zielt jedoch ins Leere. Unser Staat ist, und hierin sind sich nahezu alle Parteien einig, keiner eigenen Gemeinwohlvorstellung verpflichtet. Sein Daseinszweck ist es vielmehr, der Gerechtigkeit des Marktes zu dienen und seinen Ergebnissen Anerkennung zu verschaffen. Unterschiede zwischen den politischen Lagern bestehen lediglich in der Antwort auf die Frage, wer eigentlich das Rückgrat unserer Ökonomie bildet. Die derzeitigen Regierungsparteien favorisieren hier die großen Unternehmen, weil sie den Konzentrationsprozeß als genuin marktwirtschaftlich begreifen, und wollen demgemäß deren strukturelle Benachteiligung in ihrem Wettbewerb mit den immer noch viel zu vielen kleinen abbauen.

In diesem Kontext ist auch das Engagement der Politik gegen die Schwarzarbeit zu sehen. Großen Unternehmen ist es nur sehr schwer möglich, sich ihrer organisiert zu bedienen, da zahlreiche Mitarbeiter eingeweiht werden müßten, deren Verschwiegenheit nicht sicherzustellen ist. Kleine Betriebe, in denen jeder jeden näher kennt, haben es hier viel leichter. Diesen Wettbewerbsvorteil gilt es ihnen nun durch einen effizienteren Verfolgungsdruck zu nehmen.

Auch die sozialpolitischen Verwerfungen der Schattenwirtschaft könnten eingedämmt werden. Viele Haushalte leisten sich durch die Inanspruchnahme von Schwarzarbeit einen Wohlstand, der ihnen legal nicht möglich wäre. Wer hier nicht über die entsprechenden Beziehungen verfügt, zu wenig unverfroren oder schlichtweg bloß gesetzestreu ist, hat das Nachsehen. Es mag zwar sein, daß dann notwendige Arbeiten unerledigt bleiben und viele private Häuser in unserem Land bald so aussehen wie etwa die meisten öffentlichen Verkehrswege. Die Modernisierung der Rechtsordnung ist aber für unser Gemeinwesen wichtiger als die Modernisierung der Bausubstanz.


 
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