© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/03 18. Juli 2003

 
Frisch gepresst

Derrick aus Berlin. Den klassischen Liebhabern von Kriminalromanen bietet das Buch des pensionierten Polizeibeamten Horst Brandt, der seine lange Dienstzeit von 1956 bis 1998 zuletzt als Kriminaldirektor und Chef aller Berliner Mordkommissionen abschloß, nur ein eingeschränktes Lesevergnügen. Denn die leichengeruchträchtigen Opfer bei Brandt haben mit denen aus Derricks Vorstadtvillen nur wenig gemein, die realen Hinterbliebenen bei der Todesnachricht kaum Ähnlichkeiten mit den gefaßten Schauspielern. Brandts Schilderung seiner 42jährigen Kriminalgeschichte enthält spannende Einblicke ganz anderer Art, da er die Zeit zwischen Gründung der "Rote Armee Fraktion" und dem Terroranschlag auf die Diskothek "La-Belle" beim Staatsschutz verbrachte, wo er auch mit dem mutmaßlichen Attentäter auf das "Maison de France", Illich Ramirez Sanchez alias Carlos, seine prominenteste Ermittlungszielperson fand (Jenseits vom Tatort. Authentische Kriminalfälle. Militzke Verlag, Leipzig 2003, 190 Seiten, 12,80 Euro).

Bundeswehr weltweit. "Das Deutsche Heer ist das Heer im Einsatz." Diese These hätte vor mehr als zehn Jahren einen Aufschrei des Entsetzens und direkte Assoziationen an "Hitlers Wehrmacht" verursacht. Damals waren die Einsätze der Bundeswehr weitestgehend auf einige Katastrophenhilfen, wie 1962 an der Nordsee und 1979 im schneegeplagten Schleswig-Holstein beschränkt. Im Jahr 2003 ist man erfreut, mit vorliegendem Werk gleichzeitig eine kleine Übersicht des weltweiten Operationsgebietes deutscher Heeressoldaten erhält. Über vorwiegend humanitäre Einsätze in Somalia, Kambodscha, dem Irak und Bosnien-Herzegowina bis zu Operationen im Kosovo, Afghanistan und Kuwait beschreibt der Bildband authentisch anhand vieler Bilder die Leistung deutscher Soldaten im Ausland und den Wandel einer Armee des Truppenübungsplatzes und der "Vorneverteidigung" zur schlagkräftigen internationalen Befriedungstruppe. Dabei wird in den zweisprachigen - deutsch und englisch - Kommentaren jede politische Bewertung vermieden (Gerd Hubatschek, Hrsg.: Das Heer im Einsatz. Report Verlag, Bonn 2003, 152 Seiten, 260 farbige Fotos, 39 Euro).

Feldmarschall Keitel. Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, der 1946 in Nürnberg zum Tode verurteilte und hingerichtete Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, hat unter Zeithistorikern keine gute Presse. Ein Büttel Hitlers, allgemein als "Lakaitel" abgetan, Befehlsempfänger und doch verantwortlicher "Kriegsverbrecher". Wen wundert es, wenn sich zu seiner Verteidigung nur Menschen aus nächster Nähe finden, wie sein Sohn, der einige Jahre nach der Biographie Werner Masers Dokumente vorlegt, die das Wirken seines Vaters in einem helleren Licht erscheinen lassen sollen. Das wird selbstverständlich von etablierten Historikern als untauglicher apologetischer Versuch abgetan werden. Leider dürfte ihnen diese Diffamierung sehr leicht fallen, da Hans-Joachim Keitel als gelernter Soldat nicht über das quellenkritische Handwerkszeug der Zunft verfügt. Tatsächlich hätte die Quellenpräsentation der Nürnberger Zeugnisse übersichtlicher ausfallen müssen. Zudem wird der Leser durch den Fettdruck vieler Textpassagen irritiert (Keitel in Nürnberg. Stellungnahme zur Anklage. Unveröffentlichte persönliche Aufzeichnungen während der Gefangenschaft in Nürnberg. Verlag S. Bublies, Schnellbach 2002, 412 Seiten, 24,95 Euro).


 
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