© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/03 25. Juli / 01. August 2003

 
"Bürokratie macht staatliche Verbrechen möglich"
Bündnisse: Der libertäre Publizist und Verleger André F. Lichtschlag im JF-Gespräch / Weshalb seiner Meinung nach Konservative und Liberale zusammengehören
Manuel Ochsenreiter

Herr Lichtschlag, Sie wollen Nationalkonservative und Radikallibertäre zusammenbringen. Wieso ist eine solche Idee "gewagt", wie Sie es selbst formulierten?

Lichtschlag: Nun, ich selbst bin Libertärer. Und daß es für einen radikalen Liberalen gewagt ist, eine Zusammenarbeit mit Nationalkonservativen zu fordern, das bekam ich in den letzten beiden Wochen sehr stark bestätigt. Es gibt leider gewisse "Antifa"-Reflexe, die auch bei Libertären verbreitet sind.

Wieso sollten die beiden politischen Ausrichtungen künftig gemeinsam handeln?

Lichtschlag: Weil der Gegner derselbe ist. Diese Republik wird von einem leider sehr erfolgreichen Gemisch aus Bürokraten, Staatsfans, Umwelthysterikern, Männerhassern und Antifaschos nicht nur regiert, sondern allumfassend bis in den letzten Gedankenwinkel dominiert. Gegen diese Verpestung muß nun eine gemeinsame starke Frischluftwelle organisiert werden. Der Wind muß ihnen endlich wieder ins Gesicht blasen. Denn vieles stört uns doch alle. Die Libertären stört etwa an der von SPD-Generalsekretär Olaf Scholz geforderten staatlichen "Lufthoheit über Kinderbetten" zweierlei, nämlich die immer stärker eingeschränkte Entscheidungsfreiheit für jeden Einzelnen und die wirtschaftliche Unvernunft jedes lenkenden staatlichen Eingriffs in die Geschicke der unsichtbaren Hand des Marktes. Die Konservativen stört daran, daß etwa die Familie als traditioneller Sozialverband mehr und mehr zerstört wird. Dann laßt uns doch gemeinsam Widerstand gegen den Zugriff der Bürokraten auf unsere Kinder leisten! Die Ziele sind oft dieselben, auch wenn die Motivation unterschiedlich sein mag.

Worin liegt Ihrer Meinung nach das gemeinsame Interesse?

Lichtschlag: Wir Libertären wollen so wenig staatliche Eingriffe ins freie Zusammenleben wie möglich. Eine solche angestrebte Gesellschaft, also eine Art "Bund freier Bürger", wird am Ende traditionelle Werte viel stärker achten als unsere heutige Gesellschaft. Schauen Sie sich etwa die konservativere Kultur in der Schweiz an. Übrigens sehe ich auch bei den großen Denkern beider Richtungen, Konservative und Libertäre, oft Gemeinsamkeiten: Vieles von dem, wovor konservative Denker wie etwa Ortega y Gasset gewarnt haben, ist doch mit der Massen-Demokratie - und nicht etwa mit dem Liberalismus - später eingetroffen. Heute versuchen alle Interessengruppen im Staat auf Kosten der anderen zu leben. Da wäre mir ein gütiger König oder Kaiser ja schon lieber, als diesem Spiel in dieser Form unverändert weiter zuzusehen und dafür zahlen zu müssen.

Wie erklären Sie den Libertären die konservative Sehnsucht nach staatlicher Ordnung?

Lichtschlag: Gegen Ordnung wird kaum ein Libertärer etwas einzuwenden haben. Wenn der Staat sich erst einmal auf seine Grundaufgaben Recht und Sicherheit beschränkt und sich aus allen anderen Bereichen zurückzieht, welche Einzelne und traditionelle Sozialverbände, nicht zuletzt die Familie, besser lösen können, dann wird diesen Weg jeder Libertäre gerne mitgehen. Das gilt sogar für die radikalsten Libertären, die meinen, daß am Ende selbst Sicherheit und Recht von Privatunternehmen wesentlich besser und günstiger angeboten werden könnten.

Sie erklären, der Nationalstolz sei "ein Opfer, welches ich bereit bin mitzutragen". Wenn dies für Sie anscheinend negativ belegt ist, worin unterscheiden Sie sich dann von der antideutschen Linken?

Lichtschlag: Ich persönlich bin weder stolz auf die Nation noch hasse ich sie. Das unterscheidet mich von bemitleidenswerten Menschen, die "Deutschland verrecke" oder "Sieg Heil" rufen. Mir fehlt eher das Interesse an der nationalen Kategorie oder das Gefühl dafür. Natürlich weiß ich aber, daß fast alle anderen ein Nationalbewußtsein haben. Dabei ist in Deutschland der übertriebene kollektive Nationalstolz derzeit eher nicht das Problem und war es wohl auch nie. Das Problem war und ist eher die Bürokratie und die Obrigkeitsgläubigkeit, die staatliche Verbrechen früher und heute möglich gemacht haben.

Wie gestaltet sich der nationalkonservativ-radikallibertäre Dialog in der Praxis?

Lichtschlag: Momentan bekomme ich viel Post und Telefonanrufe. Auch einige Treffen sind geplant. Ich könnte mir vorstellen, daß ich mit anderen Publizisten und ausgewieseneren Theoretikern bei Gelegenheit ein Programm vorlege.

Zu guter letzt: Wann ist es denn soweit mit der Parteigründung?

Lichtschlag: Das müssen Sie in einigen Monaten die fragen, die sich zu diesem politischen Weg in der Praxis berufen fühlen. Ich selbst bin Publizist und habe noch viele Ideen im Kopf.

 

André F. Lichtschlag , Jahrgang 1968, Verlagskaufmann, studierte Politikwissenschaft, VWL und Soziologie in Bonn. Er ist Herausgeber der libertären Zeitschrift eigentümlich frei.

 

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