© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/03 08. August 2003

 
Verfassungsschutz
Sandburg mit Kinderschippe
Dieter Stein

Mit meinem einjährigen Sohn war ich in diesem Sommer das erste Mal am Meer. An der Ostsee. Wunderbar. Aber: Bauen Sie mal mit einer kleinen Kinderschippe eine Sandburg bei steigendem Wasser. Sie kennen das: Kaum hat man mühsam einen kleinen Hügel geschafft, nagen schon die Kräfte der Gezeiten an dem Bauwerk. Nur mit zäher Energie und vereinten Kräften kann dem Meer ein Fleckchen Erde abgetrotzt werden - und plötzlich steht sie doch stolz da, die kleine Burg, und hält den Wellen stand.

Nicht viel einfacher stellt es sich für diese Zeitung dar, die Öffentlichkeit für die skandalösen Zustände in der Verfassungsschutzabteilung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums zu sensibilisieren. Diese außer Rand und Band geratene Behörde nimmt seit fast zehn Jahren unter der Überschrift "Neue Rechte" demokratische Konservative ins Visier, setzt sie im Verfassungsschutzbericht dem Verdacht aus, Rechtsextremismus zu befördern, und denunziert im Zuge dessen auch die JUNGE FREIHEIT. Mühselig ist diese Aufklärungsarbeit, der juristische Kampf gegen die Verleumdungen zieht sich dank langsam mahlender Mühlen der Gerichte scheinbar in die Unendlichkeit hin. Erst vor wenigen Wochen haben wir darum dazu aufgerufen, beim NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück persönlich in Briefen gegen die Mißstände im Innenministerium zu protestieren. Insbesondere sollte Einspruch erhoben werden gegen die Durchführung einer öffentlichen "Fachtagung", die das Innenministerium für den 8. Oktober in Düsseldorf zum Thema "Die Neue Rechte - eine Gefahr für die Demokratie?" angekündigt hat. Die JUNGE FREIHEIT konnte belegen, daß eine Reihe der Referenten dieser zweifelhaften "wissenschaftlichen" Tagung einen linksextremistischen Hintergrund hat.

Erstmals riefen wir auch dazu auf, den Oppositionsführer in NRW, Jürgen Rüttgers (CDU), an seine Aufgabe als Kontrolleur der SPD-geführten Regierung zu erinnern und ihn aufzufordern, bei der Landesregierung gegen die Praxis des NRW-Verfassungsschutzes zu protestieren. "Ob's was hilft?" fragte so mancher skeptisch. Wird die Post von Bürgern wirklich gelesen oder wandert sie nicht gleich ungelesen in den Papierkorb?

Da erschien am 27. Juli in der Welt am Sonntag ein Artikel mit der Schlagzeile: "Arbeitet Verfassungsschutz mit Linksextremisten? CDU will Hinweise auf Verbindungen der NRW-Behörde zur radikalen Szene haben. Innenministerium weist Vorwürfe zurück" (siehe Bericht auf Seite 4). Diesem Bericht nach intervenierten bereits mehrere Abgeordnete des Bundestages gegen die NRW-Praxis. Rüttgers selbst hat nun angekündigt, bei der Landesregierung vorstellig zu werden. Der CDU-Chef von NRW erklärte dies aber erst aufgrund eines Protestbriefes. Ob das Gespräch stattfand und welches Ergebnis es hatte, ist bis dato unbekannt. Dennoch sieht man - wieder einmal -, daß es sich lohnt, aufzustehen, auch wenn es aussichtslos scheint.


 
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