© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/03 15. August 2003

 
Eigene Ölkonzerne erhalten Generalabsolution
Irak: Die Bush-Regierung gewährt den im Irak tätigen US-Ölfirmen einen umfassenden Rechtsschutz
Alexander Griesbach

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde jeder Hinweis auf die Inter-essen der US-Ölkonzerne im Irak barsch vom Tisch gewischt. Die US-Regierung führte ihren eigenen Angaben nach einen Befreiungskrieg im Irak, dessen Ziel die definitive Beendigung des angeblich menschheitsbedrohenden Regimes von Saddam Hussein gewesen sein soll.

Inzwischen sind diese Auskünfte, wie viele andere der US-Propaganda im Vorfeld des Irak-Krieges, Schnee von gestern. Kein Schnee von gestern sind hingegen die massiven ökonomischen Interessen der USA im Irak, die jetzt wieder ein Thema sind und alle Argumente, die vorher für eine Intervention im Irak angeführt worden sind, als pures Geschwätz erscheinen lassen.

Was die Amerikaner im Irak wirklich wollen, verdeutlicht etwa die "Executive Order 13303". Diese weitreichende Weisung findet sich seit Ende Mai im Federal Register, dem Amtsblatt der US-Regierung, ohne daß die Öffentlichkeit bisher etwas davon mitbekommen hätte. Dabei hat es diese Weisung in sich, garantiert diese doch den im Irak tätigen US-Ölfirmen einen umfassenden Rechtsschutz. Der Exekutivbefehl schreibt fest, daß Urteile, Pfändungen oder Gerichtsprozesse für null und nichtig erklärt werden müssen, sollten sie den irakischen Entwicklungsfonds oder Geschäfte mit irakischem Öl betreffen.

Im Klartext heißt dies, daß US-Ölfirmen im Irak mehr oder weniger tun und lassen können, was sie wollen. Selbst bei Menschenrechtsverletzungen, man höre und staune, oder bei Delikten von Umweltverschmutzung sollen diese durch ein Papier vor Strafe geschützt sein. Alles dies hat US-Präsident Bush bereits vor zwei Monaten unterschrieben. US-Rechtswissenschaftler schlagen nun Alarm. Jamin Raskin, Verfassungsrechtler an der American University, moniert vor allem den Passus, daß "alle Gerichtsprozesse null und nichtig" seien. Seiner Meinung nach läuft diese Regelung darauf hinaus, daß "jede zivil- oder strafrechtliche Haftbarkeit" von US-Ölfirmen im Irak unmöglich gemacht werde. Mit seiner Kritik steht Raskin in seiner Zunft keineswegs alleine dar. Andere US-Juristen sind zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.

Betsy Apple von Earth Rights International sieht noch andere Gefahren. Ihrer Meinung nach könnten US-Firmen irakisches Öl nun mit völlig veralteten Tankern außer Landes schaffen. Alles dies ermögliche der umfassende Rechtsschutz des US-Präsidenten. Die US-Regierung bemüht sich nun, die Aufregung um die Präsidenten-Weisung zu dämpfen. So erklärte etwa Taylor Griffin, Sprecher des US-Finanzministeriums, daß mit dem Dekret nur die Einnahmen aus der Förderung irakischen Öls geschützt werden sollten. Diese flössen in den irakischen Entwicklungsfonds.

Die US-Regierung insistiert darauf, daß mögliche Tatbestände, wie sie die Kritiker jetzt ins Spiel bringen, durch die Weisung nicht gedeckt seien. Dem hält Tom Devine, Rechtsexperte des Government Accountability Project, einer unabhängigen Organisation, die US-Regierungen überwacht, entgegen: "Der Formulierung nach beendet das Dekret offensichtlich die Hoheit der Gesetze über die Ölindustrie oder jeden anderen, der über irakisches Öl verfügt oder über irgend etwas, das mit irakischem Öl zu tun hat." Diejenigen Nichtregierungsorganisationen, die das Dekret erst vor kurzem im Bundesanzeiger entdeckten und dann die Öffentlichkeit informierten, hoffen nun, daß die US-Regierung ihre folgenreiche Weisung wieder einschränken wird.

Inzwischen häufen sich die Hinweise, daß die Entscheidung, Präsident Saddam Hussein unter Einsatz von Gewalt abzusetzen, lange vor den Terrorangriffen vom 11. September 2001 auf die Wolkenkratzer des New Yorker Welthandelszentrums fiel. So veröffentlichte das Institute for Advanced Strategic and Political Studies, dessen damaliger Leiter Richard Perle war, bereits im Juli 1996 ein Dokument mit dem Titel "A Clean Break: a New Strategy for Securing the Realm". In diesem Dokument wird der damalige israelische Premierminister Benjamin Netanjahu aufgerufen, einen radikalen Politikwechsel einzuleiten. Bestandteil dieses Kurswechsels sollte unter anderem die Ausschaltung von Saddam Hussein und die Destabilisierung der Regierungen von Syrien, Libanon, Saudi-Arabien und Iran sein.

Im Februar 1998 schrieb der spätere Bush-Berater Perle einen offenen Brief an Präsident Bill Clinton und forderte wirksame Aktionen, um einen Regimewechsel in Bagdad zu bewirken. Der Brief fand 25 Unterzeichner, darunter zahlreiche Führungsmitglieder der jetzigen Bush-Administration. Die Angriffe von al-Qaida am 11. September lieferten einen Vorwand, diese Politik in die Praxis umzusetzen.

Die monatelangen Querelen über Uno-Resolutionen und -Inspektionen sollten offensichtlich nur den Eindruck vermitteln, daß der Krieg gegen den Irak nicht nur von den USA, sondern von einer internationalen Koalition geführt werde. Auf die längst gefallene Grundentscheidung, nämlich Saddam Hussein zu stürzen, hatten diese Auseinandersetzungen keinerlei Einfluß mehr. Ein Gewinner zeichnet sich aber bereits ab: nämlich Israel. Dessen Kriegszustand mit dem Irak, der seit 1948 andauert, ist nun beendet. Und die Alimentierung der militanten Palästinenserorganisationen durch Bagdad gehört nun auch der Vergangenheit an.


 
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