© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/03 22. August 2003

 
Erkennbare Bereitschaft zum Kampf
Hamburg II: Die Hansestadt bleibt weiterhin Stützpunkt für militante Islamisten / Überwachung der Moslem-Extremisten erweist sich als besonders schwierig
Josef Hämmerling

Hamburg ist nach wie vor die Hochburg radikaler Islamisten in Deutschland. Diese Ansicht vertrat der stellvertretende Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, Manfred Murck, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die Überwachung der gewaltbereiten Szene sei aber inzwischen deutlich verstärkt worden - nicht zuletzt wegen des gerade angelaufenen Prozesses gegen Abdelghani Mzoudi. Ihm wird Unterstützung der Terroristen vorgeworfen, die für die Anschläge am 11. September 2001 in den USA verantwortlich gemacht werden.

Die Zahl der in der Hansestadt lebenden Islamisten liegt nach Angaben Murcks seit Jahren nahezu unverändert bei rund 1.500 Personen. Bei etwa 200 von ihnen gehen die Verfassungsschützer von "einer grundsätzlich militanten Einstellung" aus. Und bei einigen sei die "persönliche Bereitschaft zum Kampf deutlich erkennbar". Zwar gebe es die Kontaktzelle rund um Mohammed Atta, der eine der Todesmaschinen geflogen haben soll, aufgrund der Selbstmordanschläge und mehrerer Festnahmen nicht mehr. Allerdings existiere noch ein Teil der alten Strukturen und hätten sich inzwischen neue Gruppierungen gebildet, sagte Murck. Dies zeige sich auch daran, daß die überwachten Islamisten sehr vorsichtig agieren und beispielsweise keine offenen Telefongespräche mehr führen. Insgesamt gebe es in Hamburg etwa 100 Treffpunkte wie Moscheen, Teestuben und Buchhandlungen, in denen sich dieser Personenkreis zum Teil konspirativ treffe.

Eines der größten Probleme seien die V-Männer. Es sei kaum möglich, jemanden zu finden, der auf der einen Seite religiös genug wäre, um das Vertrauen der islamistischen Szene zu gewinnen, auf der anderen Seite aber bereit sei, die so gewonnenen Informationen an westliche Geheimdienste weiterzugeben. Man laufe schnell in Gefahr, sich einen Maulwurf einzufangen, der verdächtige Personen über die Aktivitäten des Verfassungsschutzes informiere.

Hamburg war nach den Geschehnissen des 11. September 2001 schnell ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten. Besonders aus den USA wurden immer wieder Vorwürfe laut, zuletzt im Untersuchungsbericht des US-Kongresses zu den Anschlägen, daß diese Attentate weitgehend unbemerkt in Hamburg-Harburg geplant worden seien. Deutschland werden darin "signifikante rechtsstaatliche Hürden" vorgeworfen, die eine Beobachtung islamischer Fundamentalisten erschwerten.

USA werfen Deutschland vor, Ermittlungen zu erschweren

Die deutschen Verfassungsschützer wehrten sich mit dem Hinweis, daß die militante Islamisten-Szene in Hamburg zwar schon damals beobachtet wurde, darunter auch Personen, die Kontaktleute der mutmaßlichen Terroristen des 11. Septembers waren, man diese Querverbindungen aber erst im nachhinein herstellen konnte. Zu diesem beobachteten Personenkreis gehörten unter anderen auch die bekannten Hamburger al-Qaida-Sympathisanten Mamoun Darkazanli und Mohammed Haydar Zammar. Allerdings war der US-Geheimdienst CIA immer bestens über diese Ermittlungen informiert worden bzw. nahm zum Teil sogar aktiv daran teil, leitete die ihm zugegangenen Informationen aber nicht weiter.

Nach dem 11. September war der Verfassungsschutz der Hansestadt besonders aktiv. So startete Hamburg bereits am 19. September 2001 als erstes Bundesland die Rasterfahndung, um islamische Extremisten aufzuspüren. 911 Hamburger blieben im Raster hängen.

Und am 28. November verhafteten Beamte des Bundeskriminalamts den damals 29jährigen Mounir al Motassadeq als Statthalter der Hamburger Zelle. Motassadeq wurde dann am 29. Februar 2003 vom Hanseatischen Oberlandesgericht wegen Beteiligung an den Terroranschlägen zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Auch im Jahr 2002 war der Hamburger Verfassungsschutz sehr erfolgreich. So ließ das "Soko Netzwerk" am 3. Juli den konspirativen Islamisten-Treff im Buchladen Attawhid auffliegen. Auch mehrere Moscheen wurden durchsucht, darunter die als "Problem-Moscheen" eingestuften al-Qods-Moschee, die Mouhajerin-Moschee und die al-Nur- Moschee, meist allerdings erfolglos. Im Juni dieses Jahres wurden nach Hinweisen des Bundesamtes für Verfassungsschutz der 34jährige Marokkaner Karim Mehdi und der 36jährige zum Islam konvertierte Deutsche Christian Ganczarski festgenommen. Beide hatten ihren Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen, haben den Erkenntnissen zufolge aber enge Kontakte nach Hamburg unterhalten.

Im Oktober folgte dann die Festnahme von Abdelghani Mzoudi, der derzeit wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zum Mord in 3.006 Fällen vor Gericht steht.


 
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