© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/03 22. August 2003

 
Aus seines Bruders Schatten gelöst
Habsburgermonarchie: Eine Ausstellung im Kunsthistorischen Museum in Wien folgt den Spuren Kaiser Ferdinands I.
Ekkehard Schultz

Erstaunlich, daß dem Begründer des östlichen Teiles der Habsburgerreiches, Kaiser Ferdinand I., bislang keine eigene Ausstellung und auch nur wenige separate wissenschaftliche Abhandlungen gewidmet wurden. Dabei erwarb er mit den Kronen Böhmens und Ungarns nicht nur die Herrschaft über zwei in der mitteleuropäischen Geschichte außerordentlich bedeutsame Gebiete, sondern war zugleich auch der erste habsburgische Herrscher der österreichisch-deutschen Linie auf dem römisch-deutschen Kaiserthron. Trotzdem stand er zumeist im Schatten seines Bruders Karl V. - von dem es noch heute sprichwörtlich heißt, daß aufgrund der außerordentlich breiten Ausdehnung der von ihm beherrschten Gebiete in seinem Reich "die Sonne nie unterging". Um so mehr ist zu begrüßen, daß anläßlich des 500. Geburtstages von Ferdinand I. im Kunsthistorischen Museum in Wien noch bis Ende August eine Ausstellung besichtigt werden kann, die in keiner Weise einen Vergleich mit der umfangreichen Präsentation über Karl V. vor einigen Jahren scheuen muß.

Ferdinand wurde am 10. März 1503 in Alcara de Henares bei Madrid geboren. Als zweitgeborener Sohn von Johanna von Kastilien und Philipp dem Schönen, seit 1504 König von Kastilien, hatte er trotz ausgezeichneter Abstammung begrenzte Aufstiegschancen. Zudem erwies sich Karl schon in seiner Jugend als Meister der Machtpolitik: Sein Bestreben war darauf gerichtet, Ferdinand aus Spanien zu vertreiben, um sich die mit der Erstgeburt verbundenen Rechte unbeschränkt zu sichern.

Indes gelang es Kaiser Maximilian I., mit der geschickten Einfädelung von Heiratsverträgen die Aussichten Ferdinands erheblich zu verbessern und damit den Grundstein für die spätere Entwicklung zu legen: Mit Wladislaw II., König von Böhmen und Ungarn aus dem Geschlecht der Jagiellonen, handelte er einen Erbvertrag zwischen den beiden Dynastien aus, den eine Doppelverlobung auf dem Fürstentag zu Wien im Jahre 1515 besiegelte: Seine Enkelin Maria wurde die Gemahlin des jagiellonischen Prinzen Ludwig, dessen Schwester Anna wiederum den Habsburger Ferdinand heiratete.

Der junge Ferdinand hatte kaum Chancen auf den Thron

1518 wurde Ferdinand nach Burgund geschickt. Dort sollte sein Großvater Maximilian ihn auf seine Rolle als zukünftiger Herrscher der österreichischen Stammlande vorbereiten. Durch den Tod des Kaisers im Januar 1519 zerschlugen sich vorerst diese Pläne. So kam Ferdinand zu seiner Tante Margarete, seit 1507 Statthalterin der Niederlande, die seine weitere Erziehung übernahm. Dort traf er Gelehrte wie Erasmus von Rotterdam, der die Anschauungen des späteren Kaisers besonders in Religionsfragen stark prägte.

Nach dem Tode seines Großvaters wurde Ferdinands Bruder Karl V. im Juni 1519 zum römisch-deutschen König gewählt und im Oktober 1520 in Aachen gekrönt. Erst nach dieser Krönung war Karl bereit, mit Ferdinand über einen Erbvertrag zu verhandeln. Im Wormser Vertrag vom April 1521 überließ Karl V. seinem Bruder die fünf "niederösterreichischen Länder" unter und ob der Enns, Stiermark, Kärnten und Krain. Die endgültige Abmachung über das österreichische Herrschaftsgebiet Ferdinands erfolgte ein Jahr später in Brüssel. Darin übergab Karl Ferdinand die an der Adria liegenden Gebiete sowie Tirol, Württemberg, Pfirt und Hagenau.

Am 25. Mai 1521 betrat Ferdinand in Linz anläßlich der Hochzeit mit Anna zum ersten Male österreichischen Boden. Doch schnell sah sich der junge Herrscher mit gewaltigen Problemen konfrontiert: Sein Großvater Maximilian hatte einen Schuldenberg hinterlassen, so daß unpopuläre Steuererhöhungen nicht zu vermeiden waren.

Nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer Hinsicht mußte Ferdinand in den ersten Jahren seiner Herrschaft mit Widerständen kämpfen. Die Wiener Stände unter Führung des Oberbürgermeisters Martin Siebenbürger versuchten, die lange Abwesenheit eines Herrschers zur Stärkung ihrer eigenen Stellung auszunutzen. Ihnen kam dabei sehr entgegen, daß der neue Regent der Landessprache (noch) nicht mächtig und auf den ausschließlichen Rat von ausländischen Beratern angewiesen war.

Allerdings waren die Wiener mit ihren Bestrebungen weitgehend isoliert, da Ferdinand von den Ständen Kärntens, der Steiermark, Tirols und Österreichs ob der Enns bereits Huldigungen erhalten hatte. Mit einigen geschickten Manövern gelang es dem neuen Regenten daher verhältnismäßig schnell, sich gegenüber den Aufständischen durchzusetzen.

Nur wenige Jahre später erschütterten wiederum innere Unruhen Ferdinands Stammlande: Im Gefolge der Reformation kam es zu zahlreichen Bauernaufständen, die sich in der Steiermark und Tirol schnell zum Flächenbrand entwickelten.

Das osmanische Problem beschäftigte ihn zeitlebens

Bei alledem durfte Ferdinand die Bedrohungen seiner Herrschaft von "außen" nicht unterschätzen: Schnell erkannte er die große Gefahr, die von Osten - seitens der Osmanen - drohte. Bereits damals konnte Ferdinand ahnen, daß ihn dieses Problem sein Leben lang beschäftigen würde. Eine Schlüsselrolle ergab sich nicht nur aus der räumlichen Nähe zum bereits halb besetzten Ungarn, sondern auch daraus, daß jede Aussicht auf Reichshilfe wegen des Krieges gegen Frankreich unmöglich schien. Zudem war Ungarn auch kein Reichsgebiet, eine zwangsläufige Verpflichtung ergab sich daraus folglich ohnehin nicht.

Doch nicht nur in militärischer Hinsicht wurde der weitere Lebensweg Ferdinand in einschneidender Weise von den Türkenkriegen bestimmt: Im August 1526 fiel König Ludwig II. von Böhmen und Ungarn in der Schlacht von Mohacz gegen ein überlegenes osmanisches Heer. Damit stellte sich die Frage der von Maximilian angestrebten Erbfolge weit früher als geplant: Durch eine eigene Krönung zum König von Böhmen und Ungarn war es nunmehr möglich, diese wichtigen Gebiete und die zahlreichen damit verbundenen Nebenlande - wie unter anderem auch die Lausitzen - mit den österreichischen Stammlanden zu vereinen.

Daß Ferdinand am 23. Oktober 1526 einstimmig zum böhmischen König gewählt und am 24. Februar 1527 in Prag gekrönt wurde, war vor allem dem Einsatz großer Geldmittel zu verdanken. In Ungarn wurde trotz der Bemühungen seiner Schwester, der Königinwitwe Maria, zunächst der Woywode Johann Szapolyai von der nationalen Partei gewählt und in Stuhlweißenburg am 26. November 1526 zum König gekrönt. Ferdinand wählte zur Durchsetzung seiner Ansprüche den Weg der Doppelwahl. Am 17. Dezember von der Gegenpartei in Pressburg gewählt, wurde er von am 3. November 1527 ebenfalls mit der Heiligen Stephanskrone in Stuhlweißenburg gekrönt.

Bereits im Juli 1527 gelingt es Ferdinand, mit Hilfe von starken militärischen Kräften bis nach Buda vorstoßen. Sein Kontrahent Johann, der ein Bündnis mit den Türken geschlossen hatte, verlor nach der Niederlage weite Teile seiner ungarischen Herrschaft und mußte im Frühjahr 1528 nach Polen fliehen.

Für die Osmanen unter Sultan Süleiman war eine vollständige Verdrängung ihres Vasallen Johann jedoch nicht akzeptabel. 1529 eroberte Süleiman daher Buda zurück und belagerte Wien. Im Herbst mußte diese Belagerung aus Witterungsgründen zwar abgebrochen werden, doch die ungarische Hauptstadt blieb damit längerfristig unter direkter osmanischer Kontrolle, von der aus Johann wiederum regieren konnte.

1538 sicherte zwar Johann im Vertrag von Nagyvarad Ferdinand im Falle seines Todes die Herrschaft über den von ihm regierten Teil Ungarns zu. Doch der Sohn Johanns, Johann Siegmund, wollte diese Regelung nicht anerkennen. Ein Versuch Ferdinands, Siebenbürgen unter seine Kontrolle zu bringen, und damit seinen neuen Kontrahenten zur Flucht zu zwingen, scheiterte. Nur kurze Zeit konnte er sich dort halten, bevor die vorrückenden Türken und einheimische Aufständische das Gebiet erneut unter türkische Herrschaft brachten.

Entlastung und Unterstützung im Dauerkonflikt mit den Türken konnte sich Ferdinand nur von einer Lösung der Religionsfrage im Reich erhoffen. Von seinem Bruder wurde er seit dem Sommer 1540 stärker in die Verhandlungen mit den Protestanten im Reich eingebunden. Doch zunächst scheiterten alle friedlichen Lösungsversuche. 1546 und 1547 kam es zwischen den Truppen der katholischen Reichsstände und dem protestantischen "Schmalkaldener Bund" zu militärischen Auseinandersetzungen.

Zwar konnten die Katholiken in der Schlacht bei Mühlberg (1547) einen Sieg erringen, doch der Augsburger Frieden von 1548 erwies sich als wenig stabil und stellte nur eine vorübergehende Lösung dar. Immerhin konnte Ferdinand seine Hausmacht damit erheblich stärken, was sich insbesondere in Böhmen bemerkbar machte. Die bei seiner Krönung zum böhmischen König nur unter Vorbehalt gewährten Rechte wurden jetzt vollständig anerkannt. Zudem gelang es Ferdinand, seinen Sohn Maximilian als Erben für diese Krone einzusetzen.

Die Situation in Ungarn erforderte rasche Entschlüsse zur Lösung der religiösen Konflikte im Reich. Im Vergleich zu seinem Bruder Karl zeigte sich Ferdinand inzwischen erheblich kompromißbereiter. Daher gewann der auf dem Augsburger Reichstag von 1555 geschlossene Religionsfrieden an Bedeutung. Nach ihm durften die Reichsstände ihre Zugehörigkeit zur katholischen bzw. protestantischen Kirche frei wählen, allerdings unter grundsätzlichem Ausschluß aller anderen Religionsgemeinschaften. Immerhin verhinderte der Vertrag über ein halbes Jahrhundert weitere blutige religiöse Auseinandersetzungen auf Reichsebene.

Förderer von Kunst und Wissenschaft

Nachdem er keine Möglichkeit zur Durchsetzung seiner Ansprüche mehr sah, verzichtete Karl V. im Passauer Vertrag von 1553 auf das Kaisertum. Die Kurfürsten anerkannten seine Abdankung und proklamierten am 14. März in Frankfurt Ferdinand als "erwählten deutschen Kaiser". Damit war die deutsche Kaiserkrone zum ersten Mal auf die österreichisch-deutsche Linie der Habsburger übergegangen.

Noch einen wichtigen Schritt zur Erhaltung und Stabilisierung des von ihm begründeten Reiches konnte Ferdinand zu seinen Lebzeiten verwirklichen: Im November 1562 gelang es ihm, die Wahl seines ältesten Sohnes Maximilian II. zum römisch-deutschen König durchsetzen. Maximilian wurde zudem zum böhmischen (1562) und ungarischen König (1563) gekrönt. Am 25. Juli 1564 verstarb Kaiser Ferdinand in Wien.

Die Ausstellung in Wien bietet nicht nur einen Einblick in die Geschichte einer außerordentlich bewegten Zeit. Indem sie die durch damalige dynastische Beziehungen eng verbundenen Teile Europas zusammenfügt, wird gleichzeitig ein europäisches Panorama sichtbar, das nicht zuletzt durch seine zahlreichen kulturellen Bezüge den Besuch auch für historische Laien zu einem Erlebnis macht.

Im Gegensatz zu seinem Bruder Karl V., der fast ausschließlich im Gebiet der Politik seine Spuren hinterließ, setzte Ferdinand trotz der großen politischen und militärischen Belastungen in den Türkenkriegen das Werk seines Großvaters Maximilian als Förderer von Kunst und Wissenschaft fort. Eine besondere Leistung war die Neubelebung der Wiener Universität und die konsequente Förderung der Hofbibliothek.

Ferner war Ferdinand der Begründer der habsburgischen Kunstkammer, die 1550 zum ersten Mal erwähnt wird. Er legte die erste Bildergalerie in der Wiener Hofburg an und erweiterte das Gebäude um die sogenannte Stallburg, den bedeutendsten Renaissancebau Wiens. Auf Ferdinands Anregung ging auch der Bau des Schweizertores an der Hofburg sowie der Bau des Lustschlosses Belvedere.

Fotos: Kaiser Ferdinand I. (Gemälde von Johann Bocksberger d.Ä., um 1560): Erstaunlich, daß ihm erst jetzt eine Ausstellung gewidmet wird

Fotos: Königin Maria von Ungarn (Hans Krell, 1523)

Zur Ausstellung im Wiener Kunsthistorischen Museum, Maria Theresien-Platz. Info: 00 43 / 1 / 5 25 24-0 bzw. im Internet: www.khm.at . ist ein reich bebilderter Katalog mit 598 Seiten erschienen (45 Euro).


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen