© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/03 05. September 2003

 
Betriebsleiter der Leere
Gedenken: Die Geister, die er rief, wurde er nicht mehr los - Zum hundertsten Geburtstag des Philosophen, Komponisten und Musikkritikers Theodor W. Adorno
Günter Zehm

Er war ein Muttersöhnchen durch und durch, und zwar sein Leben lang. Einziges Kind eines evangelischen Frankfurter Weinhändlers jüdischer Abstammung und einer katholischen Wiener Sängerin korsischer Abstammung, verbrachte er seine Kindheit in der liebenden Obhut von Mutter und Tante, wurde von ihnen in putzige Samtkleider gesteckt, spielte mit ihnen vierhändig auf dem Klavier, begleitete sie auf gesangliche Matineen und zu sentimentalen Sonntagsausflügen ins liebliche Amorbach.

Auf dem Gymnasium mied er die groben Jungenspiele und pubertären Kraftrituale seiner Schulkameraden und mußte deshalb mancherlei Hänselei und Verachtungsgestik erdulden. Er war feinfühlig und höflich, ängstlich und heimtückisch. Nach dem Abitur nahm er Kompositionsunterricht und studierte später Musikwissenschaft, Psychologie und Philosophie. Er wollte Musiker werden, schöpferischer und ausübender, und siedelte nach dem Ersten Weltkrieg so bald als möglich nach Wien über, um Aufnahme in den dortigen avantgardistischen Komponistenkreis um Arnold Schönberg und Alban Berg zu finden und selber mit ersten Werken hervorzutreten.

Zum Komponieren reichte es freilich nicht so recht, und so verlegte er sich auf Musikkritik, mit eindeutiger Präferenz für neue und neueste Richtungen. Er wurde zum Künder einer "reinen", einzig und allein der inneren, formalen "Struktur" folgenden Musik, die sich nie ans Gemüt, immer nur an den Verstand wendet und sich jeder "Vereinnahmung" durch Massengeschmack und Gemeinschaftspathos entzieht. Bald verband er Musikkritik mit marxistischer "Ideologiekritik", verglich die Welt, so wie sie sich ihm darbot, mit ihrer "Struktur", und mußte feststellen, daß jene erscheinende Welt vollständig "in der Unwahrheit steht", bloßer Schein ist, ein Verhängnis, eine Zumutung.

In diesem Jahr wird in Frankfurt am Main, in Uni-Seminaren und Zeitungsfeuilletons der hundertste Geburtstag Theodor W. Adornos gefeiert, und zwar mit solchem Pomp, daß man glauben muß, eines großen Weltenbewegers werde gedacht, eines gewaltigen Propheten und Hoffnungmachers. Der Stichtag ist erst am 11. September, aber schon seit Wochen und Monaten erscheinen Gedenkartikel am laufenden Band, Bücher, Bildbände, eine Zeitung hat sogar eine regelmäßige Kolumne über "Neues von der Teddyfront" eingerichtet ("Teddy" war der Spitzname Adornos).

Eine einzige Biographie streut Sand ins Getriebe

Interessierten Zeitgenossen fällt es trotzdem schwer, sich ein reelles Bild von dem Gefeierten zu machen. Fast alles, was gesagt wird, ist pure Apologie, schäumende Schönrednerei, wobei die Apologeten und Schönredner selber nicht genau wissen, was "Teddy" eigentlich herausgekriegt hat und ob er überhaupt etwas herausgekriegt hat. Er sei der Inspirator und führende Kopf der sogenannten "Frankfurter Schule" gewesen, heißt es übereinstimmend in den Episteln, und er habe festgestellt, daß es unmöglich sei, "nach Auschwitz noch Gedichte zu schreiben". Das, so glaubt man, sei des dröhnenden Feierns allemal wert.

Eine einzige Publikation gibt es, die ein bißchen Sand ins allzu üppig geschmierte Feiertagsgetriebe streut: Lorenz Jägers bei der DVA in München erschienenes Buch "Adorno. Eine politische Biographie". Nicht daß es dort respektlos oder hyperkritisch zuginge, im Gegenteil, Jäger erweist sich als genauer und kenntnisreicher Historiker, der kein wichtiges Detail ausläßt und jedes Für und Wider mit Akkuratesse und letztlich auch mit Sympathie für seinen Biographie-Helden erörtert. Aber die politische Sonde, die er ansetzt, legt wie von allein das vielerorts Unzusammenhängende und höchst Kritikable im Werk Adornos frei.

Dieser Theodor Ludwig Wiesengrund, der sich später nach dem Künstlernamen seiner Mutter Adorno nannte, ist für Jäger so etwas wie der Intellektuelle des zwanzigsten Jahrhunderts schlechthin, eine widersprüchliche, in sich zerrissene Gestalt, spätes Kind einer großen schöpferischen Epoche, zu der er selber nicht mehr dazugehört, die er nur noch nachschmecken, reflektieren und aus dem Ressentiment des Alexandriners heraus kritisieren kann - und die er dennoch im Tiefsten bewundert und gegen den Andrang des modernen Massenzeitalters verteidigen möchte. Eine ohnmächtige, bei Lichte betrachtet tragikomische Figur.

Nicht von ungefähr warfen sich die Intellektuellen scharenweise dem Marxismus in die Arme, weil dem die Quadratur des Kreises zu gelingen schien: die alte Welt zerstören, alle ihre Traditionen blamieren und verhöhnen - und gleichzeitig ihre "Werte" für die Zukunft retten, sie "transformieren", dem "befreiten Proletariat" als Erbe und Verpflichtung zur Verfügung stellen. Auch der junge Adorno wurde in den zwanziger Jahren Marxist, in der Variante des Frankfurter "Instituts für Sozialforschung", das damals von jüdischen Privatdozenten und Publizisten gegründet wurde und dessen Organisator und Geldgeber der reiche schwäbische Fabrikantensohn Max Horkheimer war.

Das Institut für Sozialforschung verstand sich als marxistische Speerspitze gegen die "romantische, irrationalistische Deutsche Ideologie", die es zudem als Konkurrenz empfand, weil es mit ihr manche Gemeinsamkeiten hatte. Auch die deutschen Irrationalisten standen ja in Opposition zur modernen, durch Kapitalismus und Bürokratisierung bewirkten "Entfremdung" des Lebens, seiner "Entzauberung", seiner Verwandlung in ödes, nur noch mechanisches Funktionieren. Doch ihre Kampfmittel gegen die Entfremdung hießen "Intuition", Appell an die bewahrenden Kräfte der Gemeinschaft und der Natur, Freilegung und Offenhalten der "Quellen", bewußte Re-Mythisierung und Theatralisierung des modernen Lebens. Dagegen machte das Frankfurter Institut Front.

Seine Mitglieder glaubten nur an eines: an die ganz und gar gefühlsentleerte, quasi-mathematische "Struktur", die es freizulegen und deren angeblich zum "Fortschritt" führender Eigenbewegung es zu folgen galt. Alle Mythen und Theaterspiele des modernen Alltags mußten als bloße Herrschaftsmittel des Kapitalismus/Faschismus denunziert und ausgemerzt werden. Nicht zuletzt kam es, wie vor allem Walter Benjamin betonte, darauf an, die "auratische", das heißt gefühlshafte, die Herzen bewegende Ausstrahlung von Kunstwerken zu zerstören, sie gleichsam mobil zu machen, ihre Gefühlswerte ohne Rest und Komma in massenwirksame politische Agitationspotentiale zu verwandeln. Die (damals) neuen Medien, Film, Radio, politische Aufmärsche mit den entsprechenden Kampfparolen und -liedern, schienen dafür die beste Handhabe zu bieten.

Theodor Wiesengrund Adorno paßte nur sehr vage in diese Programmatik hinein, und so blieb er lange Zeit ein Außenseiter und Fremdkörper im Institut. Horkheimer war es schon vor 1933 gelungen, Vermögen und Operationsrahmen des Instituts zuerst nach Genf und später nach New York zu verlagern. Er emigrierte sofort nach Machtantritt der Nationalsozialisten. Adorno hingegen, dem die neuen Herren, weil er Marxist und "Halbjude" war, Privatdozentur und venia legendi entzogen, blieb unschlüssig, hoffte auf ein schnelles Ende des "Spuks", besuchte von Oxford aus, wo er eine Stelle als Graduierter am Merton College gefunden hatte, oft Deutschland und schrieb weiter Kritiken in deutschen Musikzeitschriften, nicht ohne dabei politische Zugeständnisse zu machen.

Sein Leben lang blieb er von Horkheimer abhängig

Erst 1938 folgte er Horkheimer und dem Institut nach New York und später nach Los Angeles. Er trat in ein regelrechtes Satrapen-Verhältnis zu Horkheimer, von dem er institutionell sein Leben lang abhängig blieb und dessen politische Kehren und Kurswechsel er alle mitvollzog. Dabei ging es in erster Linie um die stufenweise "Entmarxisierung" des Instituts, besonders nachdem dieses 1949 nach Frankfurt zurückgekehrt war.

Horkheimer war nicht gewillt, es des Marxismus wegen mit den Amerikanern zu verderben. Er sah im "Proletariat" schon längst kein Subjekt der Geschichte mehr und sprach der Sowjetunion jedes Recht ab, sich als Bastion von Humanismus und Aufklärung zu deklarieren. Bereits in Amerika hatte er damit begonnen, sich von weniger elastischen Mit-Emigranten wie Brecht, Bloch oder Hanns Eisler zu distanzieren, und Adorno machte das alles nach, spielte machmal sogar die Rolle des Vorreiters und Exekutors, wenn es darum ging, ein langjähriges Institutsmitglied abzunabeln oder ihm die Rente zu verweigern.

Äußerlich betrachtet kam nun, in den fünfziger und frühen sechziger Jahren in Frankfurt, für "Teddy" die größte Zeit, die Zeit der Ernte und der öffentlichen Wirksamkeit weit über die Grenzen des Instituts und der Universität hinaus. Er wurde zu dem, was man heute einen "Medienstar" nennt. Die Rundfunkanstalten rissen sich um seine Vorträge, die Studenten strömten nicht nur in seine Vorlesungen, sondern auch in seine Konzerte im Sendesaal des Hessischen Rundfunks, wo der große Meister, begleitet von einer hübschen Sängerin oder Violinistin, auf dem Piano seine eigenen Piècen vortrug und danach, dankend und sich verbeugend, an die Rampe trat, um den brausenden Beifall der (von ihm abhängigen) Studenten entgegenzunehmen.

In Wirklichkeit war das eine Scheinblüte, die den Keim kommenden Unheils bereits in sich barg. Was Adorno, wissenschaftlich wie wohl auch musikalisch, bot, waren Luftnummern, "in der Zirkuskuppel ratlos", wie sein Schüler Alexander Kluge später schreiben sollte. Die von ihm am Institut eingeleiteten "soziologischen Forschungen" zeugten von kompletter Unwilligkeit, sich auf reale Verhältnisse auch nur einzulassen. Es ging immer nur um Frage-Aktionen, wo die Befragten mittels Fangfragen und anschließender pseudo-psychoanalytischer Ausdeutung der Antworten durch die Befrager als "autoritäre", für entfremdete Herrschaft und Faschismus anfällige Personen enttarnt und zur "Umerziehung" freigegeben wurden.

Aber es war Adorno gar nicht um Soziologie zu tun. Sein einziges Anliegen war und blieb die "Kritik", eine Kritik an allem und jedem und um ihrer selbst willen. Und in erster, zweiter und dritter Linie war Adornos Kritik Kulturkritik, ein romantisches Unternehmen, ein Dauerschmäh auf den kulturellen "Betrieb", der die Kultur angeblich entfremdeter Herrschaft unterwirft, sie in Profitmacherei verwandelt und obszön entstellt.

In dem mit Horkheimer zusammen geschriebenen Hauptwerk "Dialektik der Aufklärung" kommt die Nähe zur Romantik und zur konservativen Kulturkritik deutlich heraus. Die Autoren vergreifen sich dort an den heiligsten Gütern der Linken, eben an der "Aufklärung", der "Entmythologisierung", der handelnden, also "instrumentellen" Vernunft. Sie zeigen, daß diese Art von Aufklärung und Vernunft letzten Endes auf nichts als auf Herrschaft aus ist, auf Herrschaft über die Natur und über andere Menschen, daß sie ein Zwangssystem installiert, mit dem verglichen alle früheren, unaufgeklärten Herrschaften das reinste Reich der Freiheit waren. Schärfer haben es Schopenhauer, Heidegger oder Klages auch nicht gesagt.

Nur, sie haben es weitaus besser gesagt als Adorno und Horkheimer. Ihr kritischer Impetus war in sich stimmig, sie gaben den Widerstandskräften gegen die lediglich instrumentelle Vernunft ausführlich Raum: dem Leben, der Seele, dem Karman, der Tradition, der Heimat, der Nation . . . Bei Horkheimer und Adorno blieb das alles ausgeblendet oder wurde gar perhorresziert. Sie hatten einzig und allein ihre "Kritik", und die hatte nichts hinter sich als ein schwarzes Loch, allenfalls noch das alttestamentarische Gebot, daß man sich kein Bildnis machen darf von Gott, den Adorno offenbar glattweg mit Kritik in eins setzte.

Sprache wird zum bloßen Glasperlenspiel

Wenn solches Treiben wenigstens mit Wortgewalt und Glanz der Sprache verbunden gewesen wäre! Aber davon kann keine Rede sein. Ein Großteil von Adornos Schriften, vielleicht der größere, ist Musikkritik, arbeitet sich an einem Medium ab, der Musik, das dem Wort überlegen ist, von ihm zumindest nicht eingeholt und vereinnahmt werden kann. Musikkritik (wie auch schon das bloße Beschreiben von Musik) ist wie gemaltes Essen, ein Surrogat, eine Anmaßung im Grunde, die alsbald auf die Sprache des Kritikers zurückschlägt. Diese wird zum Glasperlenspiel, zum referenzlosen Abzählvers. Etwas Mechanisches, Seelenloses zieht in sie ein - und genau das widerfuhr der Sprache Adornos.

Auch wenn es bei ihm "nur" um Philosophie und Weltbetrachtung ging, dominierte das Mechanische, ein noch im Satzbau und in der Auswahl der Metaphern vernehmbares ewiges Hinterherlaufen, das ermüdete und auch erheiterte; bei den "kritischen" 68ern sprach man am Ende, Adornos Redeweise betreffend, nur noch boshaft von "adornieren". Man ahmte den Meister nach, man übte sich in seinem Sprachrhythmus, man adornierte mit Hingabe und war sich darüber klar, daß nichts dabei herauskommen würde.

Adorno und die 68er: dieses Kapitel endete tödlich für "Teddy", und doch walteten in ihm historische Logik und Konsequenz, und auch die tragikomischen Züge der typischen Intellektuellen-Existenz fehlten nicht. Dabei war von vornherein erkennbar, daß nicht Adorno und seine "Frankfurter Schule" die Ereignisse von '68 auslösten oder auch nur anleiteten. Die Ur-Impulse kamen vielmehr aus China und aus den USA, wo sich die "Kulturrevolution" von Anfang an als Abräumaktion zu erkennen gab, als bewußte Abkehr von der Tradition, als planmäßige Vernichtung alteingeschliffener Kulturpraktiken und als flächendeckende Entsublimierung. Die Revolutionsgarden in Peking, die "Blumenkinder" in Kalifornien, die "Helden des Mai" in Paris oder die Roten Brigaden in Italien kamen ganz ohne Frankfurter Schule aus.

Von den eigenen Schülern zu Tode gehetzt

In Deutschland jedoch war ihr Einfluß beträchtlich, nachdem die Bewegung auch hier einmal Fuß gefaßt hatte. Der psychoanalytisch denunzierende Duktus der Adornoschen "Soziologie", ihre Intention, moderne Bürokratie und Profitwirtschaft faktisch mit "Faschismus" in eins zu setzen und die Abräumaktionen als längst fällige, bisher angeblich vollkommen verdrängte Abrechnung mit den Vätern und ihrer "untilgbaren Schuld" auszugeben, machte ungeheuer Schule und verschaffte den 68ern einen moralischen Feldvorteil, den sie anderswo nicht hatten. Nirgendwo gelang der "Marsch durch die Institutionen" (Dutschke) so gut wie im Zeichen der Frankfurter Schule, und es war nur konsequent, daß er auch vor dem eigenen Institut nicht haltmachte, ja, gerade dieses aufs Korn nahm und seinen Direktor Adorno (Horkheimer hatte sich rechtzeitig in die Schweiz abgesetzt) in gröbster Weise attackierte und demütigte.

Das Institut wurde "besetzt", Adornos Vorlesungen gesprengt bzw. in obszöne Happenings "umfunktioniert". Die "Kritik" verwandelte sich selber in Bürokratie und "(Links-)Faschismus" (Habermas). Statt feinsinniger Musik-Analysen setzte es nur noch "Vollversammlungen", "Strategiedebatten", Gewaltaktionen gegen Hochschullehrer, gerade auch gegen liberal oder sozialistisch gesinnte. Adorno floh, nachdem er die Polizei hatte rufen und einen Kriminalprozeß gegen seinen Lieblingsschüler Hans-Jürgen Krahl hatte führen müssen, in den vorgezogenen Semesterurlaub, wo er dann einen Herzinfarkt erlitt, zu Tode gehetzt von seinen eigenen Schülern.

Selten in der Geistesgeschichte ist eine Theorie so beim Wort genommen und blamiert worden wie die "Kritische Theorie" des Theodor W. Adorno. Die er rief, die Geister, wurde er nicht mehr los. Er stürzte genau in das Loch, das er sich selber gegraben hatte, und nach Einschätzung des Kommunikationstheoretikers Norbert Bolz wird von seinem Erdengang nichts übrigbleiben als die Erinnerung an einen leeren Betrieb, der sich schließlich selber außer Betrieb setzte.

Die jetzigen Centenarfeiern in Frankfurt und in den Feuilletons liefern die grelle Bestätigung einer solchen Einschätzung. Auch sie sind leerer Betrieb, in Gang gesetzt von Tätern, die sich damit über ihre Schuld hinwegzumogeln versuchen. Ein einziger Blick auf die geplanten oder bereits laufenden Veranstaltungen genügt, um zu sehen, daß hier "das durch und durch Unwahre" (Adorno) unterwegs ist. Man bringt putzige Anekdoten über "Teddy" unter die Leute, intime Bettgeschichten, amüsiert sich darüber, daß er so gern die Fernsehserie "Daktari" guckte. Adorno ist zum "Medien-Event" geworden, zum Faktor der Unterhaltungsindustrie, gegen die er sein Leben lang anzugehen versuchte.

Dies allerdings, so muß man sagen, hat er nicht verdient. In seiner unermüdlichen und hyper-aufmerksamen Kritik am medialen Betrieb (der zu seiner Zeit, im Vergleich zu heute, ja noch ganz unentwickelt war) steckt ein realer Kern, sie ist nach wie vor ein notwendiges Unternehmen, das immer notwendiger wird. Kein Vernünftiger kann damit einverstanden sein, daß sich die moderne Welt in einen bloßen Kindergarten verwandelt, wo nur noch durch Laufställe gestolpert wird, die irgendwelche Profitmacher aufgestellt haben. Diese ständig drohende Konstellation muß unermüdlich unterlaufen werden, dafür steht Adorno.

Theodor W. Adorno (1903-1969): Der leidenschaftliche Kulturkritiker wollte eine große schöpferische Geistesepoche, zu der er selber nicht mehr gehörte, gegen den Andrang des heraufziehenden Massenzeitalters verteidigen.

Lorenz Jäger: Adorno. Eine politische Biographie, DVA, München 2003, geb., 320 Seiten, 22,90 Euro


 
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