© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/03 12. September 2003

 
Die Krone sticht den Euro
Schweden: Trotz Euro-Propaganda droht ein Nein beim Referendum / Ericsson-Konzern droht mit Abwanderung
Josef Hämmerling

Der Kelch des Euro scheint an den Schweden noch einmal vorbeizugehen. Darauf lassen jedenfalls jüngste Umfragen schließen. Danach wollen derzeit 51 Prozent der schwedischen Bürger bei der Volksabstimmung am 14. September gegen die Einführung des Euro stimmen. Die Zahl der Euro-Befürworter blieb unverändert bei 37 Prozent, während die Unentschlossenen derzeit zwölf Prozent ausmachen.

Allerdings haben die Pro-Euro-Interessensgruppen ihren Kampf noch lange nicht aufgegeben und warten sogar mit unerwarteten Allianzen auf. So verfaßte Außenministerin Anna Lindh von den Sozialdemokraten zusammen mit dem Geschäftsführer des Mobiltelefon-Herstellers Ericsson einen gemeinsamen Artikel. Dort warnten sie vor einem Massensterben schwedischer Unternehmen im Falle der Ablehnung des Euro. Damit nicht genug, verbündeten sich mehrere Gewerkschaftsvorsitzende mit dem Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes und schilderten begeistert die vermeintlichen Vorteile der Europäischen Währungsunion.

Und selbst Finnlands sozialdemokratische Präsidentin Tarja Halonen und der neue bürgerliche Regierungschef Matti Vanhanen machten massiv Werbung für die EU-Gemeinschaftswährung. Ein Beitritt Schwedens würde die geographische Isolation Finnlands in der Währungsunion mildern. Immerhin gehört das erdölreiche Norwegen nach wie vor nicht der EU an, und Dänemark hat nach dem Nein seiner Bevölkerung zum Euro zwar die dänische Krone an den Euro gekoppelt, betreibt aber beispielsweise nach wie vor eine eigene Zinspolitik.

Schwedens Regierungschef Göran Persson kämpft nach wie vor leidenschaftlich für den Euro. Da das Verfehlen der Stabilitätskriterien schon durch die beiden wirtschaftlich stärksten Staaten, Deutschland und Frankreich, den Euro-Gegnern Auftrieb gab, drehte der Sozialdemokrat den Spieß einfach um und meinte, die Schwäche dieser beiden Volkswirtschaften gehe vor allem auf eine schlechte Vorbereitung zur Währungsunion zurück. Deutschland, Frankreich, aber auch Italien hätten sich nicht richtig auf den abzusehenden Wirtschaftsabschwung vorbereitet und müßten jetzt die Rechnung dafür bezahlen.

Aus diesem Grunde werde Schweden auch erst dann der Einheitswährung beitreten, wenn der Stabilitätspakt "intakt" sei. Dies bedeute, daß Schweden bei einem positiven Abstimmungsergebnis nicht unbedingt schon zum frühesten Zeitpunkt 2006 den Euro einführen werde. Vielmehr werde man dann notfalls so lange warten, bis der Stabilitätspakt "funktioniere". Auch müsse die wirtschaftliche Stärke Schwedens bei der Festsetzung des Euro-Wechselkurses berücksichtigt werden. Ein schlechtes Angebot werde man auf keinen Fall akzeptieren, sagte Persson.

Mittels mehr oder weniger erpresserischer Methoden will der schwedische Telekommunikations-Riese Ericsson ein "Ja" zum Euro erzwingen. Wenn die Bürger mit "Nein" entscheiden würden, müsse der Konzern sich ernsthaft überlegen, seinen Sitz aus Schweden in ein anderes Land zu verlagern, erklärte Unternehmenschef Carl-Henric Svanberg. Auf jeden Fall würde man die Aktivitäten in Schweden deutlich reduzieren. Hauptgrund sei, daß Ericssons Konkurrenten durch den Euro kein Wechselkursrisiko mehr hätten und damit besser kalkulieren könnten. Da stellt sich natürlich die Frage, wieso Ericsson dann in den vergangenen Jahren überhaupt gute Ergebnisse hatte erzielen können.

Euro-Befürworter werden mit eigenen Worten geschlagen

Überhaupt schlagen die Euro-Gegner, zu denen einerseits die im Reichstag vertretene ex-kommunistische Linkspartei, die Grünen und die ländliche Zentrumspartei gehören sowie andererseits die nur kommunal vertretenen rechtsnationalen Schwedendemokraten von Mikael Jansson und die noch weiter rechts stehenden Nationaldemokraten, die Befürworter der Einheitswährung mit deren eigenen Worten. Im vergangenen Jahr hatte der Regierungschef Persson nämlich die schwedische Wirtschaft im Wahlkampf noch in rosigsten Farben gemalt. Warum sollte man dann ausgerechnet jetzt, wo gleich mehrere Länder den Stabilitätspakt verletzen und die Probleme allgemein in der Eurozone immer mehr wachsen, einer Währungsunion zustimmen? Zudem befürchten viele - nach der Erfahrung der bisherigen knapp zwei Jahre Euro - mehr und mehr die Aufgabe der nationalen Selbständigkeit zugunsten einer immer übermächtiger bankchef Lars Wohlin und erhielt dafür viel Beifall!

Nicht zuletzt wird auch darauf verwiesen, daß die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) immer mehr einen Schlingerkurs fahren müsse. Während nämlich angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme in Deutschland und Frankreich eine absolute Niedrigzinspolitik vonnöten wäre, würden die hohen Inflationsraten in Irland und Griechenland dagegen eher steigende Zinsen erfordern. So sei der EZB-Leitzins von 2,0 Prozent "nicht Fisch, nicht Fleisch", sondern eine für alle Seiten unbefriedigende Kompromißlösung, die aber in Wirklichkeit niemandem gerecht werde, argumentieren die Euro-Gegner zu Recht!

Sollte es bei der Volksabstimmung am 14. September wirklich zu einem "Nein" kommen, wäre ein neuerliches Referendum erst im Jahr 2010 möglich und die Einführung des Euro nach einem dann positiven Votum erst 2013. Damit müsse Schweden sich dann ganz hinten in der Schlange anstellen und sei sogar schlechter gestellt als die Länder, die jetzt in die EU wollten und schon den Euro als Währung akzeptieren, meinten Persson und der Chef der liberalen Volkspartei, Lars Leijonborg.

Massive Unterstützung erhalten die Euro-Gegner jedoch von der im April dieses Jahres gegründeten "Skandinavischen Kronenallianz", die inzwischen immer mehr Zulauf findet. Diese will statt des Euros eine gemeinsame skandinavische Krone einführen und verweist auf die vielen wirtschaftlichen Gemeinsamkeiten Schwedens, Norwegens und Dänemarks. Dies gilt vor allem auch für die industriellen Strukturen. Zudem seien die politischen Systeme gleich. Damit wären alle Voraussetzungen für eine wirklich funktionierende Wirtschaftsunion gegeben.


 
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