© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/03 12. September 2003

 
"Ja, ich stehe dazu"
Erinnerung an eine große Filmemacherin: In einem JF-Interview von 1994 spricht Leni Riefenstahl über ihre künstlerische Pionierleistung und die Kraft, alle Widrigkeiten zu überwinden
(JF)

Im Februar 1994 gewährte die damals 91jährige Leni Reifenstahl der JUNGEN FREIHEIT eines ihrer seltenen Interviews, in dem sie von ihren Erfolgen, aber auch ihren Enttäuschungen sprach. Aus Anlaß ihres Todes drucken wir hier noch einmal einen kleinen Auszug:

Macht es Sie traurig, daß in Deutschland Ihre Filme wie zum Beispiel der "Triumph des Willens" tabuisiert werden, während er in den USA und Japan als Meisterwerk angesehen wird?

Riefenstahl: Traurig macht mich das gar nicht, denn ich verstehe das. Wissen Sie, der Film ist in einer Zeit entstanden, in der die Welt ganz anders ausgesehen hat. Und Menschen, die diese Zeit damals nicht miterlebt haben, können das auch gar nicht beurteilen. Heute hat der Film eine ganz andere Bedeutung als damals. Er zeigt Dinge, die damals in der ganzen Welt anerkannt waren. Es war ein Dokumentarfilm ohne einen Kommentar, ohne eine Handlung - und er hat wegen seiner Machart alle Preise bekommen, übrigens genau wie die Olympia-Filme. An Werbung für den Staat war damals überhaupt noch gar nicht zu denken - damals gab es genug Hakenkreuze überall, die diese Funktion übernahmen. Die heutigen Reaktionen sind nach dem, was geschehen ist und was wir erlebt und nach dem Krieg erfahren haben, nur zu verständlich, und ich möchte auch gar nicht, daß man diesen Film zeigt. Heute könnte er als Propaganda angesehen werden. Damals war es keine, denn er wurde im Ausland gar nicht in den Kinos, sondern nur auf Festivals gezeigt. Und damals war ein Film, in dem ein Vorbeimarsch militärisch organisierter Einheiten gezeigt wurde, nichts Ungewöhnliches: Vorbeimärsche in anderen Ländern, etwa in er Sowjetunion bei Parteitagen, waren ganz normal. Daß er heute so und nicht anders betrachtet wird, geht darauf zurück, daß er gut gemacht ist. Aber mir fällt es eben sehr schwer, schlechte Filme zu machen.

Sie haben trotz allem immer zu Ihrem gesamten Werk gestanden?

Riefenstahl: Ja, ich stehe dazu. Sehen Sie, der Film ist deshalb so umstritten oder so lebendig geblieben, weil er eine Pionierarbeit war. Ich habe dort Dinge machen lassen, die man damals noch nicht kannte. Bis dahin war zum Beispiel die Wochenschau nicht lebendig, sie war starr, nicht bewegt. Ich machte damals schon viele Fahraufnahmen, und ich war die erste, die dies in Dokumentarfilmen tat. (...)

Sie mußten einige menschliche Enttäuschungen erleben, als sich ehemalige Freunde, Menschen, denen Sie geholfen hatten, von Ihnen abwandten.

Riefenstahl: Ich glaube, dieses Schicksal hat jeder von uns. Aber ich hatte die Kraft, alle diese Dinge zu überwinden. Ich konnte sie deshalb ertragen, weil es mir nicht schwergefallen ist, auch in schwierigen Zeiten zu leben. Mir sind Luxus oder gutes Leben nicht wichtig. Ich lebe genauso gern in einfachen Verhältnissen, auch ohne Ruhm. Gelitten habe ich nur darunter, daß ich nicht arbeiten konnte, meine Kreativität nicht ausleben konnte.

Dieses Bild von Ihnen, das da verbreitet wird, geht auf eine gewisse einseitige Darstellung zurück. Haben Sie die Hoffnung, daß sich das in Deutschland in absehbarer Zeit ändern wird?

Riefenstahl: Wissen Sie, es mir vollkommen gleichgültig. Ich lese weder die guten noch die schlechten Berichte, ich bin völlig desinteressiert an dem, was da geschrieben wird. Wenn ich einen Film mache, wird mich das Urteil über meine Arbeit interessieren, aber was sonst geschrieben wird, läßt mich kalt. Das meiste ist ja Phantasie, die mit mir nichts zu tun hat. Entweder werde ich zu stark gelobt - oder ich werde zu stark verurteilt.

 

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