© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/03 19. September 2003

 
Die Macht im Blätterwald
Medien: Nicht nur durch die vielen Beteiligungen der parteieigenen DDVG üben die Sozialdemokraten einen großen Einfluß auf die deutsche Presselandschaft aus
Norman Gutschow

Die SPD ist nicht nur die traditionsreichste, finanziell potenteste und mitgliederstärkste Partei in Deutschland, sie verfügt auch über ein großes Netzwerk von Beteiligungen an Zeitungen, Zeitschriften und Radiosendern. Diese Medienbeteiligungen der Sozialdemokraten geraten immer wieder in die Schlagzeilen. Zeitungen, Fernsehmagazine und wissenschaftliche Abhandlungen berichten immer wieder über den "Genossenkonzern" (so der Titel eines Buches von Andreas Feser, Olzog Verlag, München 2002, 136 Seiten, 20 Euro, siehe auch JF 42/02) und werfen die Frage nach dem Einfluß einer politischen Partei auf die Medien auf, deren Aufgabe doch eigentlich in der unabhängigen Information und Kontrolle über Staat, Politik und Parteien bestehen sollte.

CDU/CSU und FDP, aber auch immer öfter die Grünen kritisieren seit Jahren die Beteiligungen der SPD an Zeitungen und Zeitschriften und den damit unterstellten parteipolitischen Einfluß auf die Berichterstattung. Kann man diese Kritik von politischen Konkurrenten vielleicht noch als Neid abtun, nicht selber über einen ähnlichen Einfluß durch Medienbeteiligung zu verfügen, ist es um so bemerkenswerter, daß auch gerade unabhängige Kommentatoren und Fachorgane wie der "Medien Tenor" in dieser Vermischung von Partei und Medien eine Gefahr für die Pressefreiheit sehen.

Tatsächlich war der Anlaß, sich im Zeitungswesen zu engagieren, durch eine für die Sozialdemokraten beschränkte Pressefreiheit begründet. Die Anfänge der Medienbeteiligungen der SPD finden sich bereits im 19. Jahrhundert, als die noch junge Sozialdemokratie - von den etablierten bürgerlichen Medien als "vaterlandslose Gesellen" gebrandmarkt - keine Chance hatte, sich in den Medien Gehör zu verschaffen, und ihre Ideen und Vorschläge in den Zeitungen und Gazetten nicht gedruckt wurden. Die Konsequenz daraus war die Gründung von eigenen Verlagen und Zeitungen wie der Parteizeitung Vorwärts, die heute jedes Mitglied einmal im Monat kostenlos erhält, die früher aber eine reguläre Tageszeitung war. Zum überwiegenden Teil gehen die heutigen Beteiligungen der SPD auf die Aktivitäten aus dieser Zeit zurück. Allerdings führten viele dieser Mehrheitsbeteiligungen, wie eben an der Vorwärts, in den wirtschaftlichen Bankrott. Nun, da die Sozialdemokraten ihren Besitz eher breit streuen und auf Minderheitenbeteiligungen setzen, hat sich daraus ein lukratives Geschäft entwickelt. Im Jahr 2000 erzielte die SPD Einnahmen in Höhe von 8,7 Millionen Euro aus ihren Mediengeschäften.

An 14 Tageszeitungen ist die SPD direkt beteiligt

Alle Medienbeteiligungen der Sozialdemokraten laufen über die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (DDVG). Diese Steuerungsgesellschaft des SPD-Unternehmensbesitzes befindet sich zu 99,25 Prozent direkt im Besitz der SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier, die ihre Anteile als Generaltreuhänderin des SPD-Parteivorstandes hält. Die fehlenden 0,75 Prozent Anteile sind ihr indirekt über die Solidarität Verwaltungs- und Treuhandgesellschaft mbH unterstellt. Dem Treuhandaufsichtsrat gehören - neben Politikern wie Björn Engholm und Olaf Scholz - auch Vertreter der Medien wie Gisela Marx vom Westdeutschen Rundfunk und Uwe Jacobsen von der Saarbrücker Zeitung an.

Über die DDVG ist die SPD an 14 Verlagshäusern beteiligt, mit Anteilen von neun Prozent (Rheinland-Pfälzische Rundfunk GmbH & Co KG) bis zu 100 Prozent (unter anderem Frankenpost Verlag GmbH, Westfälische Verlagsgesellschaft mbH). Nach einer Untersuchung von Horst Röper vom Formatt-Institut, das seit Jahren Analysen über die Branchenstruktur der Zeitungsverlage vorlegt, ist die SPD an insgesamt 14 Tageszeitungen beteiligt, an denen sie mindestens 25 Prozent des Kapitals hält. Sie kommt damit auf eine anteilige Gesamtauflage von 435.000 Exemplaren, die einem Anteil am bundesdeutschen Tageszeitungsmarkt von 1,9 Prozent entspricht. Damit ist die DDVG unter den Verlagen in Deutschland die Nummer elf. Die Differenz zum zehnten Platz beträgt erhebliche 82.500 Exemplare. Allerdings sind die Schaumburger Nachrichten mit einer Auflage von 16.900 Exemplaren, das Meininger Tageblatt (16.600 Exemplare) und die Westfälische Rundschau in Münster (zirka 160.000) nicht berücksichtigt, da die Beteiligungen sich mit 13 bis 20 Prozent unter den für die Untersuchung maßgeblichen 25 Prozent Kapitalanteil bewegen.

Es gibt denn auch andere Quellen, die von einer Gesamtauflage von 1.007.600 Exemplaren ausgehen. Der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei Erwin Huber bezeichnete die SPD am 28. Januar in einer Presseerklärung sogar als zweitgrößten deutschen Verleger und sprach von zehn Prozent Marktanteil und einer täglichen Auflage von knapp zwei Millionen Exemplaren. Auf Antrag der SPD verbot das Landgericht Berlin am 3. April 2003 der bayerischen Staatsregierung und der CSU die Verbreitung dieser Behauptung, die als nicht erwiesen betrachtet wurde.

Da der Tageszeitungsmarkt in Deutschland im wesentlichen ein regionaler Markt ist und auch die wenigen bundesweit verbreiteten Titel nur begrenzte Auflagen erreichen, sind es die Lokal- und Regionalzeitungen, die den Gesamtmarkt prägen. Die DDVG ist an Zeitungsverlagen in Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen beteiligt. Sie ist damit ein ungewöhnlicher Teilhaber am Zeitungsmarkt, denn selbst die größten Verlage agierten in der Vergangenheit - gerade wegen der Dominanz der Lokal- und Regionalzeitungen - meist nur in einem Regionalmarkt. Die Gesamtbedeutung der DDVG auf dem Zeitungsmarkt ist dementsprechend geringer, außerdem hält sie lediglich bei der in Bielefeld erscheinenden Neuen Westfälischen die Mehrheit, bei den Cuxhavener Nachrichten die Hälfte der Anteile.

Direkter politischer Einfluß ist nur schwer nachzuweisen

Allerdings ist die Bedeutung der SPD-Beteiligungen in den Regionalmärkten Niedersachsen und Sachsen erheblich höher einzuschätzen. Durch ihre Beteiligung an der Sächsischen Zeitung und dem Madsack Verlag nimmt sie in beiden Regionalmärkten eine sehr starke Stellung ein. Gerade die Hannoveraner Madsack Verlagsgesellschaft mbH & Co spielt als führender Zeitungsverlag Niedersachsens - mit 2,2 Prozent Marktanteil deutschlandweit die Nummer 10 - in den Mediengeschäften der SPD eine große Rolle. Hier erscheinen unter anderem die Hannoversche Allgemeine, die Neue Presse Hannover und das Göttinger Tageblatt. Außerdem ist Madsack an der Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft beteiligt, bei der die Leipziger Volkszeitung und die Dresdner Neue Nachrichten verlegt werden. Der SPD-Anteil an der Madsack Verlagsgesellschaft liegt zwar nur bei 20,8 Prozent, allerdings gehören ihr an der geschäftsführenden Gesellschaft Dr. Erich Madsack GmbH 26 Prozent der Anteile, die sie mit einer Sperrminorität ausstatten und somit den Einfluß im Verlag erheblich erhöhen. Als weiteres interessantes Detail darf man die Tatsache werten, daß Friedhelm Haak, der Leiter der Geschäftsführung bei Madsack, früher eine leitende Position der SPD-eigenen DDVG innehatte.

Unter dem Verdacht der politischen Einflußnahme auf die Inhalte steht insbesondere die bereits erwähnte Sächsische Zeitung aus Dresden, an der die SPD über eine Holding 40 Prozent der Anteile hält. Der Bonner Fachdienst "Medien Tenor", der die Zeitungen aus der gesamten Bundesrepublik auswertet, hält das Blatt für parteiisch. Bei der Auswertung von Zeitungen werden die Schlagzeilen, Berichte und Kommentare zu Ereignissen, Personen, Themen etc. gezählt und nach parteipolitischer Ausrichtung beziehungsweise Neigung sortiert. Bei der Analyse der Sächsischen Zeitung konnte "Medien Tenor" für die ersten zwei Monate diesen Jahres so gut wie keine kritische oder negative Berichterstattung über die SPD oder die Bundesregierung ausmachen. Erstaunlicher um so mehr, da in der linksliberalen Süddeutschen Zeitung deutlich mehr negative Aussagen über die Sozialdemokraten zu verzeichnen waren. In der linken Frankfurter Rundschau lag der Wert sogar noch höher, betrug der Anteil an kritischen Berichten über die SPD sogar 15 Prozent. Nach Angaben von "Medien Tenor" neigt die Sächsische Zeitung auch gerade vor anstehenden Wahlen dazu, die Sozialdemokraten in ein gutes Licht zu rücken und die Themen positiver für die SPD darzustellen, als Journalisten von anderen Zeitungen dies tun.

Auch der Umgang mit parteipolitischen Affären scheint fragwürdig zu sein, so berichtete die Sächsische Zeitung mit Recht sehr ausführlich und detailliert über den Spendenskandal der CSU am Anfang des Jahres 2001, aber bei den Enthüllungen um den sogenannten "Klüngel-Skandal" der Kölner SPD hielt man sich merklich bedeckt. So berichteten am Tag des Bekanntwerdens dieser Affäre selbst linke Blätter wie die Frankfurter Rundschau, aber kein Wort darüber bei der Sächsischen Zeitung. Dies mag Zufall gewesen sein, dem Vorfall wurde möglicherweise nicht die Bedeutung zugemessen, die er dann erlangte, oder die Redakteure mögen schlecht informiert gewesen sein - die reine Tatsache aber, daß bei einem Blatt mit 40prozentiger SPD-Beteiligung nicht berichtet wurde, hinterläßt einen schalen Beigeschmack. Es scheint, als würde hier unbewußt oder sogar bewußt mit zweierlei Maß gemessen.

Von seiten der SPD und ihrer Gesellschaft DDVG wird Kritikern natürlich erwidert, man nehme keinen Einfluß auf die Inhalte, der Verdacht alleine sei schon eine Beleidigung für die Journalisten. Die Beteiligung an Medienunternehmen wird professionell-marktwirtschaftlich als zusätzliche Einnahmequelle betrachtet. Mit der 100prozentigen Übernahme der Frankenpost im ersten Quartal dieses Jahres hat die SPD gezeigt, daß es sich offensichtlich um eine lukratives Geschäft handelt, in dem man noch zu expandieren gedenkt. Die Mehrheit der Frankenpost soll zwar nächstes Jahr veräußert werden, aber da das Blatt inzwischen wieder schwarze Zahlen schreibt, haben die Sozialdemokraten ein Gewinngeschäft gemacht.

Doch wenn nach Aussagen der DDVG ihre Gewinne nur fünf Prozent der jährlichen SPD-Einnahmen ausmachen und man darauf nicht angewiesen sei, liegt die Frage nahe, warum man sich dann seit Jahren und Jahrzehnten offensichtlich bewußt dem Verdacht aussetzt, ein parteipolitisch gesteuertes Medien-Imperium zu besitzen.

Die SPD braucht sich nicht zu wundern, wenn aufgrund dieses Verdachtes politische Gegner ihr auch Parteizusammenarbeit mit der WAZ-Mediengruppe vorwerfen. Gerade in der CDU/CSU vermutet man die SPD hinter dem WAZ-Konzern. So warf der für Medienfragen zuständige Minister des Staatsministeriums in Baden-Württemberg, Christoph Palmer (CDU) im vergangenen Jahr den Sozialdemokraten vor, sie seien durch Beteiligungen an der Westfälischen Rundschau und mehreren Radiosendern aufs engste mit dem Konzern wirtschaftlich verflochten. Das Familienunternehmen, das 1948 mit der Herausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) von dem Sozialdemokraten Erich Brost und dem Konservativen Jakob Funke gegründet wurde, gilt im allgemeinen als SPD-nah. Der zweitgrößte Verlag Deutschlands mit einem Marktanteil von 6,1 Prozent beschäftigt 12.000 Mitarbeiter und verlegt unter anderem 28 Tageszeitungen in Deutschland, Österreich, Ungarn, Tschechien, Bulgarien, Jugoslawien und Rumänien. Dazu kommen noch Beteiligungen an Hörfunk- und Fernsehsendern (u. a. RTL).

Eine SPD-Hausmacht im WAZ-Konzern wird bestritten

Der WAZ-Konzern wird von vier Geschäftsführern geleitet, von denen zwei der konservativen Funke-Seite und zwei der Vertretung der Brost-Gruppe angehören. Bei letzteren handelt es sich um das sozialdemokratische Urgestein Erich Schumann und um den Schröder-Intimus und ehemaligen EU-Koordinator für den Balkan Bodo Hombach. Da verwundert es nicht weiter, daß sich die WAZ im Zeitungsgeschäft gerade in Südosteuropa ausbreitet. Den Verdacht des politischen Einflusses auf den Konzern hat die SPD im übrigen selbst genährt. Im Zuge von Helmut Kohls Spendenaffäre war es ausgerechnet Erich Schumann - ein altgedienter Sozialdemokrat, der den Altkanzler mit der WAZ immer politisch bekämpft hatte -, der ihm 800.000 Mark spendete, um das Bußgeld zu bezahlen. Die SPD versuchte wohl zunächst, Schumann davon abzubringen, entschied sich aber dann, ihn wegen "parteischädigenden Verhaltens" aus der SPD auszuschließen. Durch diese Personalentscheidung drängt sich die Frage nach einer Gefahr für die Presse- und Meinungsfreiheit durch ein Medienimperium einer Partei geradezu auf. Wenn Geschäftsführer von Medienunternehmen, die aufgrund ihres Parteibuches von Parteigremien unter Druck gesetzt werden können, weil sie ihre Posten nur wegen dieser Parteizugehörigkeit und ihrer guten Kontakte in die Parteispitze bekommen zu haben scheinen, ist aller Widerspruch berechtigt.

Viele Experten, darunter Horst Röper vom Formatt-Institut, halten denn auch das Verlegen von Zeitungen durch Parteien für keine optimales Betätigungsfeld. Parteien im Mediengeschäft seien nicht mehr zeitgemäß. Um den tatsächlichen Einfluß von Parteien auf Zeitungen und Zeitschriften völlig zu verhindern und auch nicht den Verdacht einer Beeinflussung aufkommen zu lassen, kann es laut dem geschäftsführenden Chefredakteur von "Medien Tenor", Roland Schatz, nur die Konsequenz geben, allen Parteien mit Ausnahme ihrer Parteizeitung den Besitz von Anteilen an Zeitungen zu verbieten. Die hierfür notwendige gesetzliche Initiative ist allerdings von den politikgestaltenden Parteien in Deutschland eher nicht zu erwarten.


 
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