© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/03 26. September 2003

 
"Mannesmut vor Königsthronen"
Ehrung: Der CSU-Politiker Josef Göppel erhielt den Herbert-Gruhl-Preis 2003 / Alternativen zum Neoliberalismus anbieten
Jörg Fischer

Die Herbert-Gruhl-Gesellschaft tagte in Nürnberg und sorgte damit schon im Vorfeld für Diskussionen. Denn mit der Ankündigung der Verleihung des Herbert-Gruhl-Preises an den CSU-Bundestagsabgeordneten, Landschaftsschützer und Umweltprogrammatiker Josef Göppel vermuteten die Nürnberger Nachrichten am 8. September die Pikanterie einer ÖDP-nahen Stiftung im Landtagswahlkampf.

Der Ökologisch-Demokratischen Partei nah ist die Gesellschaft allerdings nicht, sondern dem eigenen Anspruch nach eine überparteiliche wissenschaftliche Gesellschaft - wie auch der 1993 verstorbene Ex-ÖDP-Chef Gruhl zuletzt alle Parteien hinter sich ließ, nachdem er 1954 in die CDU ein- und 1978 ausgetreten war, 1979 für die Grünen zur Europawahl antrat und 1981 diese schon wieder verließ.

Die Herbert-Gruhl-Gesellschaft ehrte am 13. September in der Frankenmetropole dann das umweltpolitische Engagement des Ansbacher Bundestagsabgeordneten. Die Bewahrung der Natur sei ein zutiefst konservatives Anliegen, betonte der Laudator und Vorsitzende der Gruhl-Gesellschaft, Heinz-Siegfried Strelow. Der bayerische Umweltpolitiker habe wiederholt in der Frage der Besteuerung von Flugbenzin, bei der Dosenpfandverordnung oder auch beim Tempolimit eine konträre Haltung zur Unionslinie eingenommen, um seinen ökologischen Prinzipien treu zu bleiben. Für diese "umweltpolitische Ernsthaftigkeit und diesen Mannesmut vor Königsthronen" zolle ihm die Herbert-Gruhl-Gesellschaft Respekt und Anerkennung, erklärte Strelow.

Als Preis überreichte der Laudator dem Ansbacher Bundestagsabgeordneten eine massiv goldene Brosche in Gestalt der Erdteile unseres Heimatplaneten. Göppel zeigte sich über diese Ehrung sehr erfreut und bekannte, in den siebziger Jahren starke Einflüsse von Herbert Gruhls Schriften, namentlich aus dessen Umweltklassiker "Ein Planet wird geplündert" (1975) empfangen zu haben. In seinen Dankesworten unterstrich Göppel, daß eine solche Auszeichnung ihn auch darin bestärke, für die Politik der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft zu streiten und eine ordnungsetzende Alternative zum Neoliberalismus anzubieten.

Denn Gegenwind habe es immer wieder gegeben, in der CDU mehr als in der CSU, wo sich bis in die Spitze herumgesprochen habe, daß man ohne ein glaubwürdiges umweltpolitisches Engagement keine Bundestagswahlen gewinnen könne. In der anschließenden Diskussion erklärte Göppel auf eine mögliche bundesweite schwarz-grüne Koalition angesprochen, daß dies "ein interessanter Gedanke" sei, worauf sich die Spekulationen überschlugen. Der Herbert-Gruhl-Preis wird alle zwei Jahre vergeben, 2001 erhielt ihn Friedhelm Farthmann (SPD).

Schwarz-grüne Koalition als "interessanter Gedanke"

Auf der Tagung in Nürnberg nahm die Herbert-Gruhl-Gesellschaft überdies eine zweite Ehrung vor, nämlich die Übertragung des Ehrenvorsitzes an den emeritierten Ökonomieprofessor Hans-Christoph Binswanger aus St. Gallen, auf den die Idee der Ökologischen Steuerreform zurückgeht. In seinem Vortrag ging Binswanger in Anlehnung an sein Buch "Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen" auf Goethes "Faust" und die zentrale Bedeutung der Wirtschaftswachstums- und Umweltproblematik ein.

Der erste Teil der Faust-Tragödie handle quasi von der Vertreibung aus dem Paradies, der entscheidende zweite Teil faktisch von der vergeblichen Glücksuche im Streben nach der Umwandlung von Natur in Geld. Vergeblich sei diese Suche, weil sie nie befriedigt, aber immer weiter betrieben werde und die Problematik der von der Natur gesetzten Grenzen mißachte, die jedes grenzenlose Wachstum ausschließe. Das sei eine zutiefst Gruhlsche Thematik, weil dieser auch oft aus dem geistigen Fundus Goethes geschöpft habe.

Der Soziologe Volker Kempf behandelte das Thema "Deutsche Ruinen gestern und heute" und betonte die Notwendigkeit des Gedenkens an baulichen Originalen, die von der Natur teilweise zurückgeholt oder tragischerweise von Menschenhand ruiniert worden seien. Ruinen seien Denkmäler, während das im Bau befindliche Holocaust-Mahnmal in Berlin kein Original sei, an dem man der Vergangenheit selbst entgegendenken könne; es verweise vielmehr auf seine Erbauer in der Gegenwart, deren Ideen und Absichten, was dann in die Analyse komplexer gesellschaftlicher Machtverhältnisse hineinführe.

Ein originär ökologisches Thema präsentierte Strelow mit seinem Lichtbildvortrag über die Regenwälder in Chile beziehungsweise den schwierigen Kampf um ihren Erhalt. Den idealistischer Landkäufe von "Tiefenökologen" ist zu verdanken, daß sie auch weiterhin Inseln von intakter Natur bieten.

Herbert-Gruhl-Gesellschaft e.V., Rosenweg 4, 30627 Hannover, Tel.: 05 11 / 5 49 06 88, E-Post: webmaster@herbert-gruhl.de 


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen