© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/03 26. September 2003

 
Zeitschriftenkritik: :Ikonen
Perversion, Gewalt und Tod
Claus-M. Wolfschlag

:Ikonen: heißt eine neue Zeitschrift für Kunst, Kultur und Lebensart aus Wiesbaden. Der Titel verweise auf die Bildnisse einer Kultur, auf die oft sakralen Sinnträger menschlichen Gestaltens, lautet die Erklärung für den ungewöhnlichen Namen: "Ikonen transportieren eine Botschaft, die in ihnen verdichtet erkennbar wird - auch im kulturellen und künstlerischen Kontext." Der in :Ikonen: behandelte kulturelle Kontext bewegt sich vor allem zwischen den Polen Undergroundkunst, Neofolk-/Darkwave-Musik, Esoterik und Fetischismus. So beschäftigt sich zum Beispiel Wolfgang Sterneck in Heft 1 mit der "Industrial Culture", die sich gesellschaftlich tabuisierter Themen wie Perversion, Gewalt und Tod angenommen hat. In Heft 2 widmet sich der gleiche Autor dem Phänomen Drogen als "Suche nach psychoaktivem Glück". Horrorfilmemacher Jörg Buttgereit steuert ein Interview mir Gunter von Hagen, dem Initiator der mittlerweile weltberühmten und umstrittenen Ausstellung "Körperwelten", bei.

Herausgeber Marcus Stiglegger widmet sich in Heft 2 eingehend Paul Schraders Film "Mishima", welcher die letzten Stunden des legendären traditionalistischen japanischen Schriftstellers Yukio Mishima thematisiert. Überhaupt findet man einen ausführlichen Filmteil vor, der sich der Kunst aus dem Fundus der cineastischen Geschichte annimmt, so dem Werk Luchino Viscontis, Pedro Almodovars oder aber Rainer Werner Fassbinders.

Eingehend befassen sich Interviews auch mit der ästhetizistischen Überhöhung von Sexualität, vor allem im Bereich Fetischismus oder Bondage. Buchrezensionen, zum Beispiel zu Werken Michel Houellebecqs oder Arne Hoffmans Buch "Sind Frauen bessere Menschen?", wie auch Tonträgerbesprechungen zu Gruppen wie Lucisferrato oder Allerseelen runden das durchweg anspruchsvolle Periodikum ab.

Leider konnte auch nicht auf ein etwas anbiederndes Gespräch mit dem Dokumentarfilmer Rüdiger Sünner verzichtet werden, der durch sein Buch und den gleichnamigen Film "Schwarze Sonne" Öffentlichkeit erlangt hat. Zwar ist Sünner kein undifferenzierter Ankläger mit "aufklärerischem" Schaum vor dem Mund, doch muß man ihn zur Gruppe der Marginalisierer zählen. Gegenüber etwas Runenzauber als harmlosem folkloristischen Mummenschanz kann er sich durchaus ein gnädiges Lächeln abringen, sobald allerdings gesellschaftskritische Konsequenzen aus der Beschäftigung mit Tradition und Naturreligion erwachsen könnten, schrillen bei ihm die Alarmglocken. Dann wird schnell wieder von "trüben Mixturen", von "nationalem Allmachtswahn", von "irrationalen Ängsten" geredet und letztlich die "Rassismus"-Keule gegen "Neu-Rechte" wie den Arun-Verlag geschwungen. Kritik an neurotischen Auswüchsen im neuheidnischen Bereich ist durchaus berechtigt, mehr Kritik an deren Kritikern allerdings ebenfalls. Dennoch: Lesenswert.

:Ikonen: erscheint halbjährlich und ist für 6,50 Euro zu beziehen bei: :Ikonen: Magazin, c/o Marcus Stiglegger, Dwight-D.-Eisenhower-Str. 3b, 65197 Wiesbaden, E-Post: ikonenmagazin@hotmail.com .


 
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