© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/03 26. September 2003

 
Fußnote in der Geschichte
Der ehemalige grüne Vorzeigemigrant Jamal Karsli schildert seinen Absturz zur Persona non grata durch seine Kritik an der israelischen Politik
Ronald Gläser

Er wird in den Geschichtsbüchern höchstens als Fußnote auftauchen. Und doch ist Jamal Karsli für einen Moment lang zu fragwürdiger Berühmtheit gelangt. Der Deutsch-Syrer verursachte ungewollt den Sturz Jürgen Möllemanns und löste eine Debatte über die Qualität der Meinungsfreiheit in Deutschland aus.

In seinem Buch über den "Fall Karsli" unter dem gleichnamigen Titel bezeichnet er Deutschland als "Maulkorbdemokratie". Solange er bei den Grünen seine Thesen verbreitete, war er wohlgelitten. Karsli ist das typische Vorzeigeobjekt der Multikulti-Gesellschaft.

Er ist ein gutsituierter, gebildeter Araber, ein säkularisierter Moslem, ein Angehöriger der verhätschelten "Migrantenklientel". Für die Grünen repräsentierte er das Paradebeispiel erfolgreicher Einwanderungspolitik. Deswegen entsandten sie ihn in den nordrhein-westfälischen Landtag. Daß Außenminister Fischer immer mehr vom PLO-Saulus zum Scharon-Paulus mutierte, verstand der Araber jedoch nicht. Er habe sich zuletzt wie "ein Regierungssprecher der Likud-Partei" benommen, kritisiert Karsli seinen Ex-Parteifreund.

Also wechselte er in die Düsseldorfer FDP-Fraktion unter Jürgen Möllemann, dessen Präsidentschaft der Deutsch-Arabischen Gesellschaft ihn für Karsli interessant machte. Die politische Linke entdeckte jetzt die antisemitische Seite des Mannes, den sie achtzehn Jahre hofiert hatte. Eine Presseerklärung, in der Karsli die Besatzungspolitik Ariel Scharons in den Palästinensergebieten als "Nazi-Methoden" attackiert hatte, wurde zum Beweisstück Nummer eins der Anklage. Ein Interview, das er der JUNGEN FREIHEIT gab, wurde in der Kampagne gegen ihn verwandt. Der mediale Schauprozeß gegen den Neuliberalen endete mit Karslis Ausscheiden aus der FDP.

In seinem Buch läßt Karsli diese Dinge wie in einem Film abermals ablaufen. Im zweiten Teil widmet er sich der Analyse der eingeschränkten Meinungsfreiheit in Deutschland. Meistens läßt er jedoch andere sprechen. Das Buch besteht überwiegend aus Zitaten. Die zu Wort kommenden Scharon-kritischen Mitglieder der jüdischen Gemeinde finden sonst wenig Gehör in Deutschland. Den Zentralrat der Juden in Deutschland klagt Karsli als "Scharons Handlanger" an. Diese Institution habe sich zum Funktionsträger entwickelt, um "das rechtsgerichtete israelische Regime" und dessen "zionistisches Ziel" zu unterstützen. Für Paul Spiegel und Michel Friedman empfindet Karsli nur Verachtung: "... diese beiden Herren (nehmen) die grausamen Ereignisse in Palästina, das regelrechte Abschlachten Unschuldiger, billigend in Kauf."

Karsli spricht der Israel-Lobby das Recht ab, für "die Juden" zu sprechen. Dies gilt auch für zionistische Organisationen in den Vereinigten Staaten. Insbesondere widmet er sich Gruppierungen wie Aipac und der WZO. Amerikanische Senatoren und Kongreßabgeordnete seien nur noch Marionetten in den Fingern von Lobbygruppen wie dem American Israel Public Affairs Committee (Aipac). Zum Beweis seiner These zählt er dezidiert die jüdischen Mitglieder der Clinton- und Bush-Administrationen auf. Die WZO sei sogar mit der Regierung Israels organisatorisch verknüpft und gleichzeitig mit dem World Jewish Congress Bestandteil der World Jewish Restitution Organization, die weltweit als Lobbyorganisation auftrete.

Karsli liefert damit jedoch keine fundamental neuen Informationen. Ebenso verhält es sich mit der Darstellung, die in Israel lautstarke Opposition werde außerhalb des Landes kaum zur Kenntnis genommen, am wenigsten durch die jüdischen Organisationen selbst. Das "Nazi-Methoden"-Zitat, das ihn schließlich seinen Fraktionsposten im Düsseldorfer Landtag kosten sollte, hat Karsli direkt von einem der israelischen Scharon-Kritiker übernommen.

Insgesamt hat Karsli ein politisches Buch geschrieben, das zeigt, wie sehr die öffentliche Diskussion in Deutschland eingeschränkt ist - nicht mehr und nicht weniger. Die politischen Ansätze jedoch, die Karsli erkennen läßt, sind kaum geeignet, um der von ihm neugegründeten Partei den Durchbruch zu verschaffen.

Jamal Karsli: Der Fall Karsli. Eine Antisemitismusdebatte. Tebbert Verlag, Sendenhorst 2003, gebunden, 292 Seiten, 17,90 Euro


 
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