© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/03 03. Oktober 2003

 
Immer mehr arbeiten für Hungerlöhne
USA: Jeder achte US-Bürger lebt unterhalb der Armutsgrenze / 16 Prozent der Bevölkerung nicht krankenversichert
Ronald Gläser

Im Präsidentschaftswahlkampf präsentierte sich George W. Bush als "mitfühlender Konservativer". Er sei der Vertreter jener, "die aus ärmlichen Verhältnissen in den Mittelstand aufsteigen", erklärte Bush damals. Neu veröffentlichte Statistiken belegen jetzt einen Anstieg der relativen wie der absoluten Armut.

Wer in den USA als arm angesehen wird, ist individuell definiert. So gilt ein Kind als arm, wenn es in einem Haushalt mit einem Einkommen von weniger als 18.390 Dollar lebt. Bei einem allein lebenden Rentner liegt die Armutsgrenze bei 9.359 Dollar.

2002 stieg der Anteil der in den USA lebenden Personen unterhalb der Armutsgrenze um vier Prozent auf 35 Millionen. 1,4 Millionen Arme sind hinzugekommen. Das entspricht ungefähr der Zahl der zumeist illegalen Einwanderer. Täglich wächst die Flut der Hispanoamerikaner, die den Rio Grande in nördlicher Richtung überqueren. Sie fangen mit buchstäblich nichts an und arbeiten für Hungerlöhne. Sie stellen auch die Mehrheit unter dem Achtel der US-Bevölkerung, das unterhalb der Armutsgrenze lebt (12,4 Prozent).

Neben den neu hinzugekommenen Latinos sind auch die alteingesessenen Schwarzen von Armut betroffen. Während bei den Latinos die Hoffnung besteht, daß sie ihr Schicksal im Laufe von ein, zwei Generationen zufriedenstellend meistern, scheint die Lage vieler Schwarzer hoffnungslos. Die Behörden ermittelten auch, daß besonders Kinder von der Armut betroffen sind. 12,2 Millionen arme Kinder machen 17,8 Prozent aller Heranwachsenden aus. Dazu paßt auch, daß 16 Prozent der US-Bevölkerung nicht krankenversichert sind.

Im Jahr 2000 gliederte sich die Kinderarmut wie folgt: 30,6 Prozent aller Latinokinder, 12,9 Prozent aller weißen Kinder und 28 Prozent aller schwarzen Kinder leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Mehrheit dieser Kinder lebt in einem Haushalt mit einer alleinerziehenden Mutter zusammen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Diese Einsicht ist so alt wie die industrielle Revolution. Jetzt wird der Trend jedoch noch verschärft. Die US-Wirtschaft boomt nämlich nicht mehr wie während der 1990er Jahre.

In Alaska verdienen die Menschen am meisten Wirtschaftswachstum ist seit jeher das effizienteste Mittel gegen ein Auseinanderdriften der unterschiedlichen Einkommensschichten. Unter Ronald Reagan hatten die unteren Einkommensschichten noch einen spürbaren Anteil am Aufschwung. Dies war unter Bill Clinton aber kaum noch der Fall.

Nirgendwo wird dies deutlicher als am wichtigsten Finanzplatz der Welt, New York City. Hier stiegen die Durchschnittseinkommen des obersten Fünftels von 1990 auf 2000 um dreizehn Prozent. Die ärmsten zwanzig Prozent der städtischen Bevölkerung mußten Einnahmeverluste in einer Größenordnung von fünfzehn Prozent hinnehmen. Im Landesdurchschnitt stiegen im gleichen Zeitraum die Gehälter wenigstens noch um ein schmales Prozent.

2001 betrug das Durchschnittseinkommen eines US-Haushalts 42.228 Dollar. Hierbei gibt es bemerkenswerte regionale Unterschiede: Am meisten verdienen die Menschen im hohen Norden. In Alaska liegt das Durchschnittseinkommen bei 57.363 Dollar.

Im Nordosten, dem "Frostgürtel", verdienen die US-Bürger mehr als in anderen Teilen des Landes. Das reiche Kalifornien liegt wegen der vielen Einwanderer nur auf dem vierzehnten Platz. Die ärmste Region sind die Südstaaten. In Mississippi beträgt das Durchschnittseinkommen nur 30,161 Dollar.

Hier leben viele Schwarze. In Staaten wie Alabama stellen sie fast die Hälfte der Einwohner. Aber hier existiert auch seit jeher eine weiße Unterschicht, die nur über geringe Einkommen verfügt, in Wohnwagen lebt und Jobs zum gesetzlichen Mindestlohn nachgeht. So ist die Armutsrate in den Südstaaten auch am höchsten: Alabama (13,3 Prozent), Arkansas (16,5 Prozent), District of Columbia (15,2 Prozent), Louisiana (17,3 Prozent), Neu Mexiko (17,4 Prozent). Am wenigsten betroffen sind die ländlichen Regionen des Mittleren Westens und Alaska. In New York und Kalifornien entspricht die Armutsrate genau dem Landesdurchschnitt.

Zwar ist das Durchschnittseinkommen auch 2002 wieder leicht gestiegen - auf 43.057 Dollar. Doch insgesamt ist der Trend seit Mitte der siebziger Jahre ungebrochen. Damals gab es mit 25 Millionen Armen zehn Millionen weniger als heute. Den gesetzlichen Mindestlohn hat Clinton deutlich angehoben - auf rund fünf Euro pro Stunde. Im Gegenzug hat er die Auszahlung der Sozialhilfe zeitlich begrenzt. Bei einer Arbeitslosenrate von nur vier Prozent war dies eine tragbare Entscheidung. Sobald die Konjunktur jedoch schwächelt - so wie jetzt -, mußte sich die Frage stellen, ob solche Maßnahmen zu rechtfertigen sind.

Armutsrate bei Schwarzen und in den Südstaaten hoch

Es gibt in den USA keine Arbeitslosenversicherung wie im "Alten Europa". Aber es ist unredlich von der amerikanischen Linken, Präsident Bush dafür verantwortlich zu machen, wie es der Sozialpolitker Robert Greenstein tut. Er wirft Bush unter anderem vor, die Steuern für die unteren Einkommensschichten nicht genug gesenkt zu haben. Immerhin hat Bush die Steuern überhaupt gesenkt! Der Vorwurf an den US-Präsidenten müßte lauten, daß er der Einwanderung tatenlos zusieht. Ganze Bundesstaaten wie Neu Mexiko und Kalifornien werden bald keine weiße Bevölkerungsmehrheit mehr haben.

Es sind die Einwanderer, die die Armut in die USA tragen und das Gesicht der Nation hin zu einem Dritte-Welt-Land verändern. Clinton hat sich vor jubelnden Studenten geäußert, er hoffe noch erleben zu dürfen, daß die Weißen ihre dominante Rolle verlieren. Bush dagegen vertritt die weißen US-Bürger, die ihm in jedem Bundesstaat zwischen New York und Kalifornien die Mehrheit gegeben haben. Und er tut nichts, um ihre Interessen durchzusetzen.


 
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