© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/03 03. Oktober 2003

 
Leserbriefe

Zu: "Meckel hat Ängste geschürt", Interview mit Erika Steinbach, JF 39/03

Schlechte Chancen

Nun hat Frau Steinbach schon ein "europäisches" Konzept für das Zentrum gegen Vertreibungen vorgelegt, und doch weht ihr der Wind vom Kanzler und Joseph Fischer & Co entgegen. Das war zu erwarten. Daß Kritik aus dem Ausland gezielt bestellt wurde, dürfte auch nichts Ungewöhnliches sein. Nur, daß dies so offen mit Namensnennung durch Frau Steinbach zutage tritt, ist ungewöhnlich. Der Widerstand hat seine Ursachen: Auch ein Zentrum gegen Vertreibungen, das die Vertriebenen des Kosovo ebenso zum Gegenstand wie die Millionen Deutschen des Zweiten Weltkrieg hat, offenbart zwangsläufig dauernd und wissenschaftlich seriös die Deutschen auch als Opfer-Volk.

Ob man will oder nicht: Durch die praktisch "amtliche" Darstellung der Verbrechen wird eine Aufrechnung oder ein Vergleich in den Köpfen von Besuchern ganz zwangsläufig. Ganz einfach deshalb, weil es keine "guten" Verbrechen, auch nicht durch die Alliierten, geben kann. Denn sind einmal die Fakten anschaulich dauerhaft in ihrer ganzen Dimension präsentiert, wird man den Besuchern dieser Einrichtung das Denken nicht verbieten können.

Sollte es tatsächlich gelingen, das Projekt zu realisieren, sind mit Sicherheit schon Maßnahmen der Verwässerung getroffen. Frau Steinbach sollte den Mut haben, mit der gleichen Härte wie ihre Gegner zu operieren und auch ohne den Segen Fischers das Projekt auf Deutschland zentriert, ungeschminkt, wissenschaftlich, nur der historischen Wahrheit verpflichtet, zu realisieren. Kommentierungen wären nicht erforderlich: Die Fakten sprechen für sich.

Gunter Müller, Wiesbaden

 

 

Zu: "Die Spirale des Terrors" von Alexander Griesbach, JF 39/03

Störfaktor

Auch wenn Hanna Ashrawi, ehemals offizielle Sprecherin der Palästinenser, der Auffassung war, daß Ariel Scharon "niemals die Verästelungen dessen durchdenkt, was er tun wird, über die nächste Woche oder die Woche danach hinaus", und auch Griesbach den Ausweisungsbeschluß der israelischen Regierung gegen Palästinenserpräsident Yassir Arafat für wenig durchdacht hält, so meine ich doch, daß dem israelischen Premier strategisches Denken, ablesbar unter anderem an seinen militärischen Erfolgen, durchaus nicht fremd ist.

Scharon wird gewiß erkannt haben, daß in den von Israel beherrschten Gebieten eine bevölkerungspolitische Zeitbombe in Form der erheblich höheren Geburtenrate der Palästinenser tickt, die, wenn sie nicht entschärft werden kann, die Substanz des Staates bedroht. Wenig erfreulich ist in diesem Zusammenhang auch die nachlassende jüdische Einwanderung - sie ist in Deutschland inzwischen höher als in Israel. Aufgehalten werden kann dieser Prozeß nur, so die mutmaßliche Auffassung der jetzigen israelischen Regierung, wenn versucht wird, den "Störfaktor Palästinenser" auf die eine oder andere Art auszuschalten.

Burkhard Breit, Wielenbach

 

 

Zu: "Alles schon gelaufen" von Peter Freitag, JF 39/03

Bayerische Uhren

Daß eine nationale Partei wie die Republikaner es schwierig hat, ist nicht verwunderlich. Die Argumente der Gegner sind: Diebstahl oder Zerstörung der Plakate. Im Fernsehen sendet man nur: Stoiber, Maget, die Joschka-Partei und die Partei der Besserverdienenden.

Es gibt auch "Sendungen" der Parteien (40 bis 80 Sekunden). Nur, wann und welche Parteien dran sind, ist im Fernsehprogramm nicht ersichtlich. Früher gab es die sogenannten "Werbespots" für lächerliche zweieinhalb Minuten, 150 Sekunden! Das bayerische CSU-Staatsfernsehen hat diese Zeit jetzt gekürzt. Ja, es stimmt, in "Bavaria" gehen die Uhren anders.

Manfred A. Berghammer, Nürnberg

 

 

Zu: "Das gelöschte Gedächtnis" von Doris Neujahr, JF 38/03

Zumutungen

Die Deutschen sind im Gefolge der verheerenden Auswirkungen des Versailler Vertrages einem Diktator zum Opfer gefallen, der nicht in einem normalen demokratischen Verfahren an die Macht gekommen, mit Terrormaßnahmen an der Macht geblieben ist und die kriminellen Auswüchse seines späteren Regierungshandelns nie zur Wahl gestellt hatte. Ein ähnliches Schicksal haben auch andere Völker erlitten, ohne daß etwa die Russen wegen Stalin, die Serben wegen Milosevic oder jetzt die Iraker wegen Saddam Hussein bereit wären, die Verantwortung für die Verbrechen dieser außerhalb jeder parlamentarischen Kontrolle stehenden Gewaltherrscher zu übernehmen, und ohne daß ihnen dies von außen zugemutet wurde, indem etwa die gequälten Zeitgenossen des Diktators auch noch als "Tätergeneration" diskreditiert wurden.

Auf die Frage, warum dies nur für die Deutschen zutreffen soll, wird der Bundesaußenminister sicherlich eine historisch fundierte und überzeugende Antwort haben. 

Helmut Keller, Berlin

 

Am Boden

Doris Neujahr sei Dank. Sie findet klare Worte zur Vertreibung, einem Thema, wo mir das Grausen vor den Fischers und seinen strammen Gesinnungsgenossen bisweilen die Abwehrkräfte lähmt.

Denn diese Pharisäer wissen, daß die völkerrechtswidrige Vertreibung von fünfzehn Millionen sich nicht wie eine Zwangsräumung mit Gerichtsvollzieher und Polizei vollzog. Zum Beispiel brauchte mein Großvater nicht mehr aus Oberschlesien ausgewiesen zu werden: er wurde vorher ermordet, nicht durch Kugel, Gas oder Strang, sondern durch Knüppel. Das Unrecht geschah im Namen der damaligen Siegervölker im Osten. Die Auseinandersetzung mit diesem Unrecht ist ihre moralische Aufgabe, so wie es unsere ist, sich mit Unrecht im deutschen Namen auseinanderzusetzen. Aber auch die Polen, Tschechen, Russen werden irgendwann daran gemessen werden.

Besonders schnöde das Ausbleiben menschlichen Mitgefühls dem eigenen Volke gegenüber, wohl aus Karrieregründen. Zur Begründung beschwört man das Recht auf Rache, will es vielleicht sogar ins Völkerrecht einführen? Nun gut, die Herren Fischer oder Meckel mögen sich bei den noch lebenden Racheengeln und ihren Sympathisanten anbiedern, mit ihnen weinselige Stammtischabende verbringen. Meine Vorfahren waren Opfer, keine Täter, und nie haben sie getreten auf das, was wehrlos am Boden kriecht.

Endrik Krügel, Swisttal

 

 

Zu: "Bis nach Kurdistan" von Paul Rosen, JF 38/03

Nicht realisierbar

Die Türkei gehört geographisch, kulturell und historisch nicht zu Europa. Bestrebungen zu mehr Rechtsstaatlichkeit ändern daran nichts. Die Frage, ob sie jemals EU-Vollmitglied werden könne, muß man angesichts dieser Tatsache mit einem klaren Nein beantworten. Das von türkischer wie auch teilweise deutscher Seite vorgebrachte Argument, die verabschiedeten Reformgesetze erfüllten die Kopenhagener EU-Aufnahmekriterien, was die EU zur Aufnahme der Türkei geradezu verpflichte, ist nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver der Beitrittsbefürworter.

Der Türkei selbst geht es in erster Linie um wirtschaftliche Vorteile, was verständlich und völlig legitim ist. Das rot-grüne Lager hingegen verspricht sich davon nicht nur eine effektivere Durchsetzung eines multikulturellen Gesellschaftsbildes, sondern auch durch eine forcierte Einbürgerung türkischstämmiger Zuwanderer, die erfahrungsgemäß mehrheitlich rot-grün wählen, die Zementierung rot-grüner Mehrheiten in Deutschland.

Bernd Sydow, Berlin-Schöneberg

 

 

Zu: "Bohrende Fragen" von Ronald Gläser, JF 38/03

Virus des Schwachsinns

Die am Ende des Artikels aufgeworfenen Fragen mögen berechtigt sein, ansonsten geht er an der Sache vorbei. Die glänzend recherchierte Titelgeschichte des Spiegel wird leider auch notorischen Spinnern wie Bröckers, Bülow und Co. nicht das Wasser abgraben. Ihre Mühlen dürften weiter mahlen, weil das Publikum glaubt, mit deren Hilfe hinter die Kulissen sehen zu können.

Mit dem Rücken zur Wand stehen die Verschwörungstheoretiker, nicht die Medien, wie ein Tempodrom-Diskutant glauben zu machen versuchte. Was ist die Quintessenz? Der Virus des Schwachsinns hat 19 Prozent der Bundesbürger infiziert, die eine Beteiligung israelischer und US-amerikanischer Geheimdienste an den Anschlägen am 11. September 2001 für möglich halten. Seine Verbreitung wird von einem unreflektierten Antiamerikanismus gespeist, der ablenkt von der Gefahr, die von durchgeknallten Islamisten ausgeht. Und daß diese "Wahrheitssucher" mit dem Leid der Opfer und Hinterbliebenen Schindluder treiben und damit Unsummen verdienen, muß ebenfalls deutlich gesagt werden.

Dirk Jungnickel, Berlin

 

 

Zu "Einem Volk fehlen die Worte" von Hans-Manfred Niedetzky, JF 38/03

Turm zu Babel

Unserem Volk fehlen überhaupt nicht die Worte. Sie werden nur nicht mehr gelehrt und später gebraucht, sondern sind durch geschmeidigere und teilweise auch treffendere Worte in Englisch ersetzt. Auch der Verfasser des Beitrags, Streiter für die deutsche Sprache, gebraucht ja den Ausdruck "Marketing" statt des deutschen "Verkaufsstrategie" oder "Verkaufspolitik". Der Hinweis auf die hohe Ablehnung englischer Ausdrücke durch das Volk ist irreführend: natürlich will Lieschen Müller Deutsch sprechen, gebraucht aber in aller Unschuld alle Anglizismen, die ihr von allen Seiten vorgesetzt werden. Die deutschen Fernsehprogrammzeitschriften geben sich zum Beispiel keine Mühe mehr, englische Titel zu übersetzen. Anglizismen sind ja nicht unbedingt nur englisch-amerikanische Worte, sondern auch Satzbau und Wortstellungen. Machen wir uns nichts vor: Soll Europa nicht der "Schiefe Turm zu Babel" werden, bedarf es einer gemeinsamen Sprache, und das ist nach allen gegenwärtigen Erkenntnissen Englisch. Wir werden uns ohne einen (nicht zu erwartenden) Kraftakt einer deutschen Regierung einer englischen Sprachnivellierung nicht entziehen können. Dann radebrechen wir - wie einstige Kolonialvölker - im Behördenverkehr Englisch, dürfen aber daheim noch unsere Muttersprache sprechen.

Letzte Hoffnung: das totgeborene Kind Europa wird mit Zustimmung seiner gegenwärtigen Aspiranten in einer elastischen, währungspolitisch national gesteuerten Kooperation seiner Mitgliedstaaten beerdigt.

Wolfgang Heinrich, München

 

 

Zu: "Bilder für die Ewigkeit", Nachruf auf Leni Riefenstahl, JF 38/03

Offenes Fenster

Tatsachenberichte können von vergangenen Zeiten nur das übermitteln, was sich in Worte fassen läßt. Einen Eindruck von der Stimmung, die damals in Deutschland herrschte und das Handeln und Denken beeinflußte, erhalten die Nachfahren durch bloße Worte nicht. An sie erinnert sich nur der Zeitzeuge jetzt, wo er sie vermißt. Und sie hinterher formulieren zu wollen, muß fehlschlagen, denn Worte kann man konservieren - Stimmungen aber nicht!

In den Filmen von Leni Riefenstahl wird manches von der damaligen Stimmung übermittelt; aus einer "falschen Zeit" wie viele meinen, die sie nicht miterlebt haben; in einem "falschen Land", das sie sich hier und heute nicht vorstellen können. Leni Riefenstahl hat durch ihre Meisterwerke ein Fenster geöffnet, das uns erlaubt, so manches von dieser Zeit zu erfahren, das einem die Berichte nicht mitteilen können. Man sollte ihr dankbar sein, denn wie können die Nachfahren sonst zu einem gerechten Urteil über diesen wichtigen Abschnitt der deutschen Geschichte kommen?

Richard Helm, München

 

 

Zu: "Kein Bürgerpräsident" von Doris Neujahr, JF 38/03

Alles ist möglich

Natürlich dürfte auch der mittlerweile von SPD-Mitgliedern vorgeschlagene Zentralratspräsident der Juden, Paul Spiegel, in der Lage sein, ein solches oder ähnliches mit Ehre und Würde überfrachtetes Amt wie das des Bundespräsidenten auszufüllen.

Und was ist mit Nadeem Elyas, dem Präsidenten des Zentralrates der Muslime? Sieht er sich durch dieses unsensible, unparitätische Vorschlagwesen nicht irrtümlich diskreditiert? Doch Muslime spekulieren wohl eher auf den Posten des Bundeskanzlers - siehe das Islamische Magazin TNT vom Jahre 1996, nach dem es nicht unmöglich erscheint, "daß der Bundeskanzler im Jahre 2020 ein in Deutschland geborener und aufgewachsener Muslim ist". Bis dahin ist ja noch etwas Zeit - aber alles scheint mittlerweile möglich, in diesem unserem Lande. 

Ulrich Dittmann, Kirchheimbolanden

 

 

Zu: "Das Feindbild überdenken" von Matthias Seegrün, JF 38/03

Weitere Exzesse

Was in seiner richtigen Sicht nicht genügend deutlich wird, ist die ungeheure Immoralität des Calvinismus, mit dem die Moderne ihren Anfang nahm. Denn die von Calvin gelehrte absolute Prädestination ist die (von Herrn Seegrün angesprochene) "ideengeschichtliche" Voraussetzung für den westlichen Materialismus, der in Gestalt von Marxismus und Rassismus die katastrophalen Höhepunkte des 20. Jahrhunderts lieferte und heute die USA zu immer weiteren Exzessen treibt mit der heuchlerischen Vorspiegelung bibeltreuen Christentums. Die größte Tragödie besteht darin, daß der Calvinismus nicht aus Deutschland stammt und die Deutschen von den Angelsachsen als gefährliche Dummköpfe hingestellt und an der von Herrn Seegrün gemeinten Heilung gehindert werden.

Wolfgang R. Thorwirth, Gummersbach

 

Taten müssen folgen

Ein großartiger und längst überfälliger Artikel zum Staus Quo der Konservativen und Rechten in Deutschland aus der Feder eines jungen Mannes. Ein Artikel, der die nötigen Denkanstöße liefert und der begeistert. Und ein Artikel, dem meines Erachtens nun auch Taten folgen müssen!

Nur bei einem habe ich Bedenken: Den gemäßigten Nationalkonservativen wird der Dialog verweigert werden, auch wenn sie sich darum bemühen sollten. Es gilt in der Tat, daß ein alle Regierungsgeschäfte umfassendes "Schattenprogramm" erarbeitet werden muß, das dem Bürger klar aufzeigt: Wir protestieren nicht nur, nein, bitte hier: Mit diesen und jenen Maßnahmen bringen wir Deutschland wieder nach vorn! Dabei darf man sich auch nicht scheuen, zum Beispiel für Erkenntnisse der Freiwirtschaftler offen zu sein, was eine Geld- und Bodenreform betrifft . Aber auch nicht Berührungsängste scheuen mit Maßnahmen aus dem umfangreichen Wirtschaftsprogramm, das ein gemäßigter Gregor Strasser 1932 im Reichstag vorstellte und das ja dann letztendlich auch Grundlage dafür war, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse sich bald zu bessern begannen. Dann kann Deutschland auch wieder eine friedliche Vorbildfunktion in Europa übernehmen. Die gemäßigten aller konservativen Richtungen sind nun zur Tat aufgefordert. Nach diesem Artikel bleibt nur noch die Tat! 

Uwe Wiedemann, Augsburg

 

 

Zu: "Wovon Sozialisten träumen" von Wolfgang Saur, JF 37/03

Unterschiede

Die "Hommage" an die DDR-Kunst könnte man vielleicht gelten lassen, wenn sie nicht einen Passus enthielte, der die Weimarer Ausstellung "Aufstieg und Fall der Moderne" (1999) wegen einer angeblichen Identifikation mit der "NS-Ästhetik" als Hinrichtung der DDR-Kunst bezeichnete. So wie es eine Kunst in der DDR gab, so gab es auch eine Kunst im Dritten Reich. Der Unterschied liegt in der öffentlichen Beurteilung: Bedeutende Künstler, die im Dritten Reich (aber auch vorher) erfolgreich arbeiteten (zum Beispiel Werner Peiner und Arno Breker), gelten bis heute als Unpersonen, und wenn es wirklich einmal zu Ausstellungen ihrer Werke kommt, sind diese von verächtlich machenden Medienberichten bzw. wüsten Protestversammlungen von Gutmenschen begleitet; hingegen werden Ausstellungen von DDR-Künstlern lobend besprochen, und die sich durchaus anbietenden Vergleiche mit sogenannter Nazi-Kunst werden als diffamierend bekämpft.

Wolfgang Schmidt, Gummersbach


 
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