© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/03 10. Oktober 2003

 
Leserbriefe

Zu: "Eine nationale Frage" von Peter Freitag, JF 40/03

Wehleidiges Volk

Ich bin schon längst Europäer und ärgere mich dauernd über die nationalen Fetische nicht nur vieler selbstmitleidiger Deutscher, sondern auch anderer Völker. Wenn wir nicht zusammenwachsen und Verständnis füreinander aufbringen, werden wir uns stets streiten und nie einige Europäer werden. Wir Deutschen sind wehleidig wie kaum ein anderes Volk.

Will man die Toten und Vertriebenen ehren, braucht man dazu kein Mahnmal, sondern man muß den Lebenden beistehen, die durch verbrecherische Politik in Palästina und Tschetschenien zu solchen Opfern werden. Es wäre gut, aus europäischer und nationaler Sicht, wenn hierzu von Deutschland aus Schritte unternommen und Mitstreiter für Menschenrechte gefunden würden. Gedenktagsreden und Kranzniederlegungen bewirken nichts.

Christian Adam, Voerde

 

 

Zu: "Mythos Globalisierung" von Oliver Luksic, JF 39/03

Vor- und Nachteile

Man muß kein gläubiger Marxist sein, um den Widerspruch zwischen der Globalisierung und ihren für die eigene Gesellschaft kontraproduktiven Folgen zu erkennen. Auch wenn es die Attac-Gegner nicht wahrhaben wollen, die globalvernetzende Wirtschaft schafft in den Schwellen- und noch unterentwickelten Volkswirtschaften Arbeitsplätze, gibt Knowhow weiter und hebt dort den Wohlstand zu Lasten der Beschäftigten in den entwickelten Industrieländern, die um ihre Arbeitsplätze gebracht werden. Auf diese Weise wird Kaufkraft und Wachstum in die empfangenden Volkswirtschaften exportiert. Im nationalen Bereich nehmen dagegen mit fortschreitender Globalisierung die Belastungen für die Sozialsysteme zu, die ihre Beitragszahler verlieren und eine steigende Anzahl Transferempfänger verkraften müssen.

Eine nationalwirtschaftlich nicht schädliche Globalisierung gelingt nur, solange Leistungsfähigkeit, überlegene Innovationen, hoher wissenschaftlicher Standard und komplizierte Fertigungsvorgänge die Produktion im eigenen Lande halten. Dies wird zunehmend schwieriger, und die Anstrengungen fernöstlicher Volkswirtschaften haben bereits ganze Industriezweige in Bedrängnis gebracht oder ganz vom Markt verdrängt.

Hans-Alfred Berger, per E-Post

 

 

Zu: "Wir haben die Provokation gesucht", Interview mit Jerzy Marek Nowakowski, JF 40/03

Stalinistisches Geschichtsbild

Es bezeichnet unseren Abstand zu Normalität und Selbstachtung, wenn wir erst bei unseren Nachbarn anfragen, ob und an welcher Stelle wir der Opfer von Vertreibungen gedenken dürfen, der Opfer aller und auch unserer eigenen. Nowakowski gefällt an so einer Gedenkstätte nicht, daß dabei zwangsläufig auch deutscher Opfer gedacht werden könnte. Das wird sich nicht vermeiden lassen, denn das liegt mehr an historischen Tatsachen und weniger an dem unausrottbaren Revanchismus unserer Vertriebenenverbände. Schließlich war die Vertreibung der Deutschen die größte ethnische Säuberung in der neueren Geschichte mit Millionen von Toten. Diesen sehr späten Einzug von Wahrheit als unabdingbare Hygiene im Umgang der Völker miteinander hält er für eine "extrem gefährliche neue Geschichtsbetrachtung".

Weiter meint Nowakowski, die Mehrheit der Deutschen sei ja schon vor der Besetzung des Landes durch die Sowjets "freiwillig geflohen". Ob er schon mal was von den Greueltaten der Roten Armee gehört hat oder von den polnischen Massakern an zurückgebliebenen Deutschen, die zu Hunderttausenden in polnische KZs kamen? Er hat doch Geschichte studiert! Hier ist offensichtlich jemand in seinem zweckdienlich stalinistischen Geschichtsbild steckengeblieben.

Dr. Horst Hoffmann, Kiel

 

 

Zu: "Meckel hat Ängste geschürt", Interview mit Erika Steinbach, JF 39/03

Liebenswürdige Traumtänzerin

Mit recht gemischten Gefühlen las ich Ihr Interview. Ich bin der Meinung, daß niemand das Recht hat, einem anderen Volk vorzuschreiben, wo und wie es seiner Opfer gedenken will, und halte es für selbstverständlich, daß der angemessene Ort für eine Gedenkstätte nur die Hauptstadt des betroffenen Volkes - hier also Berlin - sein kann. Frau Steinbach will auch an Berlin festhalten, aber offensichtlich einen anderen Weg wählen. Statt einer nationalen Gedenkstätte strebt sie ein Zentrum gegen Vertreibungen mit "europäischer Ausrichtung" an - was immer im Einzelnen darunter zu verstehen sein mag. Ihre im Interview vorgetragenen vagen Vorstellungen zeigen sie als liebenswürdige (und liebenswerte!) Traumtänzerin, die es allen recht machen und keinen verprellen will.

Nachdenklich macht mich auch, daß Frau Steinbach - offenbar nach jedem Strohhalm greifend - Leute in ihr Boot holt, die bisher ihre Historienerzählungen stets mit der (leicht modifizierten) Kollektivschuldthese hielten, statt einfach der Wahrheit zu dienen. Vielleicht hat sie Guido Knopp umpolen können? Dann Respekt! Von Ralph Giordano kann ich das nun wirklich nicht glauben.

Horst Adler, Regensburg

 

Mangel an Solidarität

Herr Meckel, den ohne die Wendeumstände wohl kaum jemand über sein Pastorat hinaus kennen würde, verdient wie der Mann aus Oggersheim den Weißen Adlerorden, weil er wie jener und wie die pflicht- und eidvergessenen derzeitigen Berliner Figuren als bester Außenminister Warschaus und Prags, nicht aber als Vertreter der Deutschen gelten kann. Ein so beschämender Mangel an Solidarität innerhalb eines Volkes ist wohl bei keinem unserer europäischen Nachbarn zu finden.

Stephanie Heidelmeyer, Alzenau

 

Noble Geste

Die Einladung der Initiatoren des geplanten Zentrums gegen Vertreibungen an die Vertreiberstaaten, an der Gestaltung der Gedenk- und Mahnstätte mitzuwirken, ist nobel und in der Weltgeschichte ohne Beispiel. Dieser nach der Charta der deutschen Heimatvertriebenen von 1950 spektakulärste Versuch, den Haß des 20. Jahrhunderts zu überwinden, ist - das muß man leider feststellen - fehlgeschlagen.

Unsere osteuropäischen Nachbarn haben noch nicht den Mut, ihre eigene Geschichte kritisch und unter Anwendung der Maßstäbe der "westlichen Wertegemeinschaft" zu betrachten. Den Zeitpunkt, an dem sie in Europa angekommen sind, können wir nicht bestimmen. Wir Deutschen haben aber das Recht und auch die Pflicht, der Heimatvertriebenen und der millionenfach grausam ermordeten Landsleute in würdiger - nicht in chauvinistischer - Form zu gedenken. Wie und an welchem Ort wir das tun, kann nur unsere eigene Entscheidung sein.

Klaus Reuter, Hamburg

 

Weichgespült

Bei der Konzeption für das Zentrum gegen Vertreibungen war den Initiatoren offensichtlich schnell klar, daß keine bundesrepublikanische Regierung ein rein nationales Zentrum - noch dazu in Berlin - akzeptieren würde, da damit das Tätermonopol der Deutschen zu Recht in Frage gestellt würde. Daher wurde von vornherein das Konzept europäisiert - man könnte es auch als weichgespült bezeichnen. Diese Herangehensweise wurde dann damit begründet, daß eine rein nationale Betrachtung historischer Ereignisse ja in heutiger Zeit längst überholt sei.

Merkwürdig. Diese Forderung nach Europäisierung oder gar Internationalisierung des Gedenkens bei gleichzeitigem Verzicht auf eindeutige Schuldzuweisungen findet man nämlich immer nur dann, wenn Deutsche ihre eigenen Opfer beklagen wollen: sei es das geplante Zentrum, das Gedenken an den alliierten Bombenkrieg gegen Deutschland oder das Marine-Ehrenmal in Kiel-Laboe, das ja inzwischen großzügigerweise den Seefahrern aller Länder dieser Erde gewidmet wurde.

Volker Groß, per E-Post

 

Steine sprechen Deutsch

Die angebliche deutsch-polnische Aussöhnung beruht auf drei Unwahrheiten, nämlich daß die Steine in Danzig, Stettin und Breslau Polnisch sprechen, daß Polen am Ausbruch des Krieges unschuldig ist und daß es keine Vertreibung von Deutschen gegeben hat. Wenn prominente Polen jetzt in zum Teil maßloser Weise gegen das geplante deutsche Zentrum Stellung nehmen, dann muß man den tieferen Grund in der Befürchtung sehen, daß die genannten Unwahrheiten wieder hervortreten.

Jörn Seinsch, Gummersbach

 

 

Zu: "Akt der Verzweiflung" von Paul Rosen, JF 39/03

Schäubles Mitschuld

Daß die JUNGE FREIHEIT Schäuble für einen geeigneten Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten hält, bleibt unverständlich. Der Artikel verschweigt die Mitschuld des "Kandidaten" an der endgültigen Enteignung des Mittelstands der ehemaligen Sowjetzone. Er verschweigt die Mitschuld am Belügen des Bundesverfassungsgerichts und somit einem Justizirrtum unseres Höchstgerichts. Die so anerkannte "Legalitätserklärung" kommunistischen Brauchtums schaltete fast den gesamten Mittelstand Mitteldeutschlands aus und behinderte allein dadurch den Wiederaufbau schwer. Sie widerspricht eindeutig dem Grundgesetz - sollten Präsidenten dieses Gesetz nicht besonders achten?

Prof. Dr. Helmut Güttich, Gauting

 

 

Zu: "Leere Kirchen" von Rolf Stolz, JF 39/03

Volle Kirchen

Rolf Stolz erwähnt nicht konservative evangelische Freikirchen wie etwa die Freie Evangeliums-Christen Gemeinde in Köln, die dramatisch wachsen. Auch die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, zu der Hans Apel wie Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach, Jürgen Ponto und andere wechselten, die Evangelisch-Lutherische Freikirche, die Bekennenden Evangelischen Gemeinden, Freie Baptisten-Gemeinden, selbst landeskirchliche Gemeinden wie die Evangelisch-Lutherischen Gebetsgemeinschaften besuchen prozentual oft weit mehr Mitglieder als die Großkirchen. Weltweit wächst der konservative Protestantismus weit schneller als "Rom" und der Islam.

Ulrich Motte, München

 

 

Zu: "Die jungen Leute von Marienfels" von Moritz Schwarz, JF 39/03

Nationalmasochismus

Es gibt Dinge, die sind so unglaublich, daß man sie zweimal lesen muß um sie zu begreifen. Hier erhält der Nationalmasochismus eine neue Dimension. Man macht nun auch nicht mehr vor den Toten halt.

Bei jüngeren Gemeinderäten dürfte wohl politisch korrekte Beeinflussung durch die Medien in Verbindung mit mentaler Überforderung zum entsprechenden Entschluß geführt haben, und bei den etwas älteren Würdenträgern handelt es sich möglicherweise schlicht um Ehrlosigkeit, Pflichtvergessenheit und Feigheit gegenüber dem eigenen Volk.

Der Einwurf, daß das Gefallenen-Ehrenmal nicht tragbar wäre, weil vielleicht einige Chaoten vor der Gedenkstätte eventuell "dummes Zeug" erzählt hätten, sticht nicht, denn mit dieser plumpen Argumentation könnte man die baulichen Denkmäler der halben Republik "plattmachen".

Dr. Jürgen F. Jacobs, Mindelheim

 

Kapriolen

Der Zeitgeist schlägt schon seltsame Kapriolen. Da soll ein Gefallenendenkmal der Waffen-SS "abgeräumt" werden, um künftig zu vermeiden, daß sich "Rechtsradikale" zu Gedenkveranstaltungen gesellen. Warum nicht auch weiträumig Taxis und öffentliche Verkehrsmittel stillegen, oder ganze Straßenzüge sperren, um so zu verhindern, daß diese anreisen?

Den Verantwortlichen des Deutschen Bundeswehr-Verbandes sei in Erinnerung gerufen, daß immerhin ein paar hundert ehemalige Angehörige der Waffen-SS gut genug waren, bei der Aufstellung der Bundeswehr mitzuwirken.

Johann Troltsch, Kempten

 

 

Zu: "Auf Blut gegründet" von Werner Olles, JF 39/03

Sacco und Vanzetti

In seinem Artikel ist Olles ebenso zum Opfer einer linken Geschichtslüge geworden wie vor ihm Upton Sinclair selbst. Was war geschehen? Anfang der zwanziger Jahre war in den USA ein Geldtransport überfallen worden. Sie hatten gleich losgeballert, zwei Wachmänner getötet und die anderen schwer verletzt. Einige Wochen später wurden zwei italienischstämmige Arbeiter namens Sacco und Vanzetti, Angehörige einer anarchistischen Splittergruppe, verhaftet. Beide trugen zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung Revolver bei sich. Das wurde ihnen zum Verhängnis; Vanzettis Revolver hatte vorher einem der überfallenen Wachmänner gehört, und aus Saccos Revolver war die Kugel gekommen, die einen der Wachmänner getötet hatte. Das ergab sich einwandfrei aus der ballistischen Untersuchung, zu der erstmals das damals neu erfundene Vergleichsmikroskop verwendet wurde.

Weil die Diskussion um die beiden nicht aufhörte, wurde zwanzig Jahre später der Vergleich der Revolverkugeln aus der Asservatenkammer mit den inzwischen verfeinerten Methoden wiederholt. Der Befund war eindeutig: Die Kugel, die den Wachmann getötet hatte, stammte aus Saccos Revolver. Daß trotzdem auch heute noch vor allem Schriftsteller und Künstler von der Unschuld Saccos und Vanzettis überzeugt sind, wundert mich nicht: Das sind genau die Leute, die keine Ahnung von technisch-wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden haben und lieber auf ihre angeborenen Sympathien für die "ewige Linke" vertrauen.

Carl Hermann Christmann,

 

Heusweiler

Zu: "Im Schatten Ludwig Erhards" von Ulrich Beer, JF 39/03

Währungshoheit

Gerade weil die Gründung der Bundesbank mit Vocke zusammenhing, wurde die Bank Deutscher Länder keine staatseigene Bank, sondern eine Privatbank.

Es ist darüber hinaus nicht richtig, von der Deutschen Bundesbank als einzige Währungsbank zu sprechen, die nicht vom Staat abhängig ist. Vielmehr wurde die amerikanische Währungshoheit in einem abenteuerlichen Streich meines Wissens schon vor rund 80 Jahren in Privathände überführt. Mit dem Euro hat die deutsche Regierung jedenfalls den letzten Rest einer möglichen eigenen Währungshoheit abgetreten. Es wäre interessant, zu prüfen, welche Staaten oder Völker noch eine wirkliche Währungshoheit besitzen.

Paul A. Rohkst, Kolbermoor

 

Zu: "Kartell der Etablierten", Interview mit Hans Herbert von Arnim, JF 38/03

Kreischende Verhöhnung

Leider wurde Arnim nicht gefragt, wie sich die jetzt Etablierten gerade in den Medien etablieren konnten. Sicher wissen wir, daß die Medien ein Hauptziel der 68er beim sogenannten Marsch durch die Institutionen waren. Doch wurde daraus eher ein Happening, wenn ich daran denke, wie Anfang der siebziger Jahre konservative Redakteure bei der ARD und beim gerade geschlüpften, aber schon heftig pubertierenden ZDF kreischend verhöhnt wurden, als diese bei ihren naßforschen Kollegen um "ausgewogene Berichterstattung" bettelten.

Heute wird hingenommen, daß keine politisch relevante Sendung ohne taz-Redakteurin stattfinden darf - jenes immer noch kleine Blättchen durfte vom autonomen Kassiber zum Amtsblatt mutieren. Mit linken Politikern wird geplaudert, während konservative verhört werden. Die immer dreister werdende Parteilichkeit erlaubt abgehalfterten linken Politikern mittlerweile offiziellen Wechsel auf den Moderatorenstuhl, von wo aus auch die gegenwärtige Regierung wirkungsvoll unterstützt wird. Widerstand dagegen gibt es kaum, denn die Bürgerlichen sind damit beschäftigt, sich als "nicht rechts" zu präsentieren, und bleiben nur so lange unbehelligt, solange sie artig dieses politische Lösegeld zahlen.

Wolfgang Rosenberg, Berlin

 

Zu: "Das gelöschte Gedächtnis" von Doris Neujahr, JF 38/03

Unangenehmer Rückblick

Wie auch heute die endgültige Grenzlinie zwischen Deutschland und Polen bewertet wird - auch in dem kommenden Europa ohne Grenzkontrollen -, bleiben wird stets die Erinnerung, daß die Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten stets mit endlosem Leid verbunden war. Deshalb sollte es doch heute eine Selbstverständlichkeit sein, in der Mitte Europas - in Berlin natürlich - eine zentrale Gedenkstätte für die Vertreibung zu errichten. Ünd dies ohne Wenn und Aber.

Jede Diskussion darüber ist nur ein Versuch, diese Angelegenheit zu zerreden und schließlich undurchführbar zu machen. Ein wenig Mut wäre jetzt angebracht, nicht vor übergeordneten Gesichtspunkten zu kapitulieren. Die Staatsräson verliert da ihren Sinn, wo unmittelbar die Gefühle von Menschen angesprochen werden, die Opfer einer fehlgeleiteten Entscheidung wurden. Genügend Tränen sind geflossen.

Wilhelm Hörnicke, Berlin