© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de 43/03 17. Oktober 2003
 


Der Anfang vom Ende
von Carl Gustaf Ströhm

George W. Bush hat die Notbremse gezogen und den tonangebenden "Neokonservativen" in seiner Umgebung einen Nasenstüber versetzt: Er hat Pentagon-Chef Donald Rumsfeld die Zuständigkeit für den "Wiederaufbau" des Iraks entzogen und statt dessen seine Sicherheitsbeauftragte Condoleezza Rice damit betraut. Ob sie die Wende im Irak schafft, ist zweifelhaft. Tag für Tag bestätigen sich an Euphrat und Tigris jene Warnungen, die Bush in seinem Übereifer nicht hören wollte: daß selbst nach einem militärischen Sieg der Amerikaner die Probleme nicht gelöst sind, sondern erst beginnen. Wenn sich die Serie der Attentate im Land fortsetzt, verwandelt sich der US-Sieg in eine psychologisch-politische Niederlage. Das ist eine Wende, die sich dann auch in den Köpfen der US-Wähler vollzieht. Wenn der mächtigste Mann der westlichen Welt offen zugibt, er lese prinzipiell keine Zeitungen und sehe auch keine Fernsehnachrichten, dann könnte man dies als Symptom für eine Art von Autismus deuten: Jenseits des Atlantiks ist man sich selbst genug und braucht keine guten Ratschläge. Fehlt nur noch das Eingeständnis des Präsidenten, daß ihn auch die Meinung seiner europäischen Partner nicht interessiere. Da beschleicht einen nun doch das unbehagliche Gefühl, Afghanistan, der Irak und der Palästina-Konflikt hätten die Fundamente transatlantischer Solidarität viel radikaler erschüttert als bislang öffentlich wahrgenommen. Ganz wider seine ursprüngliche Absicht läutet Bush die Stunde der Wahrheit ein - zunächst im Irak, dann aber auch im Weißen Haus. Für ihn selber könnte sie bitter ausgehen.


 
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