© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de 43/03 17. Oktober 2003
 


Bernd Lunkewitz
Der Spezi
von Werner Olles

In die deutschen Medien geriet Bernd Lunkewitz zum ersten Mal im September 1969. Da war er gerade 21 Jahre alt und protestierte in seiner Heimatstadt Kassel gegen eine Demonstration der NPD. Verfolgt von den attackierenden Gegendemonstranten zog der Chef des NPD-Ordnerdienstes eine Pistole. Die Kugel traf Lunkewitz am rechten Oberarm, und fortan hatte Kassel seinen ersten "antifaschistischen Märtyrer". Die richtigen Kämpfe tobten jedoch damals in Frankfurt, und Lunkewitz war schon bald mittendrin. Er wurde Mitglied der Jugendorganisation der stalinistischen KPD/ML, die sich nach chinesischem Vorbild "Rote Garde" nannte. Hier durchlief er die obligatorischen kommunistischen Schulungskurse, deren Nachwirkungen bei ihm auch heute noch zu spüren sind. Allerdings waren die Frankfurter "Rotgardisten" eher für ihre nicht zu unterschätzende Militanz bekannt - es wirbelten auch Stuhlbeine und Totschläger - als für die Rezeption diskursträchtiger Theorien. Doch anders als seine studentischen Genossen, die es in die Produktion zog, um bei Opel Rüsselsheim oder Neckermann hautnah miterleben zu dürfen, wie echten Proletariern nach acht Stunden am Fließband zumute ist, versuchte er sein Glück als Makler in einer Immobilienfirma. Das war zu einer Zeit, als im Frankfurter Westend ein erbitterter "Häuserkampf" tobte und der Beruf des Immobilienmaklers als Synonym für Ausbeutung und Unterdrückung schlechthin stand, recht wagemutig. Doch der politische Standortwechsel lohnte sich für ihn. Nach wenigen Jahren im Geschäft war er Multimillionär und hatte nach eigenem Bekenntnis außerdem gelernt, "wie der Kapitalismus von innen funktioniert". Von heute auf morgen stieg er als Makler aus und als Verleger ein und kaufte 1991 den Aufbau-Verlag, den einst wichtigsten und renommiertesten Verlag der gerade abgewickelten DDR - zur Aufbau-Gruppe gehören mittlerweile sechs Verlage, alle von Lunkewitz saniert. Der kapitalistische Verleger reklamiert dennoch weiterhin, "Marxist" zu sein, und erfüllt damit den Tatbestand des Salon-Marxismus. Und das mit vulgär-linkem Einschlag: Politisch korrekt unterstützte er Schröders "Aufstand der Anständigen", wähnte hinter der Walser-Debatte "Judenfeindschaft" und witterte eine Verschwörung "rechter Justizkreise" bei der Affäre um seinen "abstinenten Freund" Michel Friedman. Den hat er jetzt unter seine Fittiche genommen und ihn zum Leiter der Abteilung politisches Buch gemacht. Daß der egomane Selbstdarsteller, Freund stimulierender Substanzen und Liebhaber von Frauen à la Carte - nach traditionell linker Auffassung die Verkörperung der verachteten bürgerlichen Dekadenz - nun ausgerechnet das per Definition aufklärerische Ressort eines qua Selbstverständnis besonders emanzipatorischen Verlages übernimmt, ist ein schlechter Witz. Oder wächst hier nur zusammen, was zusammengehört?


 
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