© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de 44/03 24. Oktober 2003
 


Wer spielt jetzt mit Adolf?
Geschichten, die das Leben schreibt: Von einem Schäferhund-Mischling, seinem Herrchen und der Berliner Justiz
Thorsten Thaler

In Berlin hätten sie jetzt beinahe einen 54jährigen Mann verurteilt, weil er seinem Schäferhund-Mischling Adolf den Hitlergruß beigebracht hat. Sagt das Herrchen "Adolf sitz! Mach den Gruß!", setzt sich der Hund auf die Hinterkeulen, hebt die rechte Pfote und bellt. Das, so aufmerksame Mitbürger, die den Hundebesitzer angezeigt haben, erfülle den Tatbestand der Volksverhetzung und des Vorzeigens verfassungsfeindlicher Symbole.

Die Richter urteilten salomonisch. Es sei nicht ganz klar, ob es sich bei dem Vorgang wirklich um eine strafbare Handlung gehandelt habe. Außerdem sei der Mann wegen einer ganzen Reihe von Delikten angeklagt, da würde die Sache mit dem Hund nicht weiter ins Gewicht fallen. Der grüßende Hund an sich erfülle keinen Straftatbestand, meinten sie, und auch seine diesbezügliche Dressur falle unter kein Verbot; der Hund habe die Dressur offenbar aus freien Stücken mitgemacht.

Trotzdem droht der Hundebesitzer verurteilt zu werden, denn er habe selber immer wieder den Arm gehoben und "Sieg Heil" gerufen: Symbolkriminalität. An den volksverhetzenden Absichten des Dresseurs bestehe nicht der geringste Zweifel. Er könne sich nicht darauf hinausreden, daß er nur das "Dressurpotential" einer glücklicherweise politisch nicht aufhetzbaren Kreatur erkunden wollte, sondern sein Verhalten sei eindeutig kriminell.

So scheint allen Seiten Gerechtigkeit widerfahren. Der Hundebesitzer bekommt seine Strafe, die Anzeiger haben ihre staatsbürgerliche Genugtuung, und die Richter haben Liberalität bewiesen - und trotzdem gesprochen, wie das Gesetz es befiehlt. Nur der Schäferhund-Mischling steht belämmert da. Wer spielt nun mit ihm die lustigen Pfotenheben-Spiele? Man kann diese nicht einfach umwidmen, das "Sieg Heil" nicht in "Rotfront" verwandeln; die Umerziehung bei Tieren ist ja so schwierig. Am bestens wär's, den armen Kerl einzuschläfern.


 
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