© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/03 14. November 2003

Kolumne
Antisemiten
Rolf Stolz

Gab es im vorigen Jahrhundert objektiv gesehen einen schlimmeren Feind Deutschlands und der Deutschen als Adolf Hitler? Ob Hitler in der Tiefe seiner verwundeten und kranken Seele das Deutsche so liebte, wie er in seinen Reden behauptete, kann man mit Fug und Recht bezweifeln. Es waren gerade seine (selbst)zerstörerischen, todessüchtigen und geradezu nekrophilen Triebe und Antriebe, die seinen Erfolg in Zeiten der Kriege und Krisen ermöglichten und ihn am Ende bewogen, die Vernichtung des "überlebensunwerten" deutschen Volkes zu betreiben. Gerade Hitler aber, der sich in seiner Judenfeindschaft von niemandem übertreffen ließ, wurde zum Geburtshelfer Israels und einer niemals zuvor in der Geschichte erreichten politischen Machtstellung einiger jüdischer Fraktionen nach 1945.

Das Leben ist kompliziert. Feinde tun ungewollt Gutes oder doch Nützliches. Freunde (tatsächliche oder angebliche) richten mit Gutgemeintem Schaden an oder sogar uns zugrunde. Und wie steht es mit denen, die von offizieller Seite zu Feinden des Judentums und antisemitischen Unmenschen ernannt werden? Mit Walser, Möllemann, Hohmann? Oder mit ihren Gegenstücken, den selbst- und sonstwie gerechten Spiegelfechtern vom Kaliber Lea Rosh und Michel Friedman? Martin Hohmanns Aussage, daß weder die Deutschen wegen ihrer vielen Mordbeamten noch die Juden wegen ihrer in der Tat ebenso reichlichen Tschekisten kollektiv schuldige Tätervölker sind, wird in das glatte Gegenteil verkehrt, als habe er deutsche Schuld geleugnet oder jüdische Kollektivschuld behauptet. Seine historische Analyse hat Schwachpunkte, schon weil sie zu wenig beleuchtet, was denn viele Juden bewog, sich zum Täter, Rächer und Richter aufzuschwingen, statt immer nur Opfer zu sein, und religiösen Messianismus umzuwandeln in politisch-persönliche Verfolgungs- oder sogar Mordorgien - aber Hohmann ist weder Holocaust-Leugner noch Antisemit.

Vielleicht sind ja doch die wahren Feinde des Judentums diejenigen, die aus Weiß Schwarz fabrizieren und zur Jagd gegen Andersdenkende aufrufen. War es nicht historisch die Stärke und Größe der jüdischen Minderheiten, daß sie gemessen an ihrer geringen Zahl überproportional viele namenlose Kulturträger und namhafte Geistesgrößen stellten, daß sie mehr als die Mehrheitsbevölkerung für Geistesfreiheit und Fortschritt kämpften? Und jetzt: Jüdische Repräsentanten an der Seite der Neo-Inquisition, der dumpfen dumm-grünen Hetzer, jener von Kohl hinterlassenen und von allen guten Geistern verlassenen Ost-Quotenfrau?

 

Rolf Stolz ist Mitbegründer der Grünen. Heute lebt er als Publizist in Köln.


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