© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/03 14. November 2003

Frisch gepresst

Rechte Ideologien. Bei dem von Uwe Backes in der Schriftenreihe des Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung edierten Band "Rechtsextreme Ideologien in Geschichte und Gegenwart" könnte es sich dem biederen Titel nach um eine aufgeblähte Broschüre der Bundeszentrale für politische Bildung handeln. Wird doch viel geboten, was für den staatsbürgerlichen Unterricht taugt. Etwa von Backes' ewigem Ko-Autor Eckhard Jesse, der im didaktischen Klipp-Klapp "Rechtsintellektuelle" wie Jürgen Schwab oder Horst Mahler porträtiert, es sich aber am Schluß den Hinweis auf die "Erosion der Abgrenzung" zwischen demokratischen und antidemokratischen BRD-Linken gönnt. Unter den zeithistorischen Beiträgen scheint der Aufsatz Armin Pfahl-Traughbers, der in Sachen "rechte Verschwörungstheorien" erneut den Inhalt seiner Dissertation ausrollt, wie üblich den Tiefpunkt zu markieren. Doch der Kölner Verfassungsschützer darf das Schlußlicht diesmal an den Berliner Politologen Norbert Kapferer abgeben, der uns Carl Schmitt als Interpreten von NS-Ideologemen wie "jüdischer Bolschewismus" deutet. Das ist zeitgeistkonform, liest sich aber - aufgrund kompletter Ahnungslosigkeit Kapferers in Sachen Schmitt im besonderen und des Nationalsozialismus im allgemeinen - wie eine vom verkniffen-denunziatorischen Ressentiment genährte peinliche Bestätigung des Diktums von Jacob Taubes, wonach jeder "Privatdozent in der Politologie" offenbar aus Karrieregründen zunächst einmal gegen Schmitt treten müsse. Heraus aus solchen Niederungen ziehen den Leser Backes` kundige Einleitung, der solide, wenn auch unoriginelle Überblick von Stefan Breuer ("Neuer Nationalismus") und Frank-Lothar Krolls vorzügliche Studie über die "utopistischen Potentiale im Nationalsozialismus und Bolschewismus" (Böhlau Verlag, Köln 2003, 399 Seiten, 39,90 Euro).

Weimarer Geistesgeschichte. Um die Schlüsselbegriffe der zwanziger Jahre "Leben, Tod und Entscheidung zu entziffern, haben sich Ideenhistoriker recht unterschiedlicher weltanschaulicher Herkunft zusammengetan, wobei die katholischen Theologen neben einem Holocaust-Forscher und einem protestantischen Kirchenrechtler den Ton angeben. Darum fällt auch die Themenpalette entsprechend disparat aus. Neben Karl Jaspers, Martin Heidegger, Helmuth Plessner und Carl Schmitt, die jeder mit dem "Diskurs" von Tod und Entscheidung assoziiert, werden der heute gänzlich vergessene Rechtsphilosoph Josef Kohler, die Husserl-Schülerin Edith Stein und der auch schon mit ideenhistorischer Patina bedeckte Max Scheler traktiert (Stephan Loos, Holger Zaborowski, Hrsg.: Leben, Tod und Entscheidung. Studien zur Geistesgeschichte der Weimarer Republik, Duncker & Humblot, Berlin 2003, 211 Seiten, 68,80 Euro)


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