© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/03 21. November 2003

Aufstand der Feiglinge
Merkel und Stoiber steuern die Union mit dem Hohmann-Ausschluß in eine Krise
Dieter Stein

Auf einer Präsidiumssitzung, die laut Beobachtern in einer "eisigen Stimmung" (FAZ) stattgefunden haben soll, nickte die CDU am Montag dieser Woche die Entscheidung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ab, den Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann aus der Fraktion auszuschließen. Der asoziale, unmenschliche Umgang der Parteispitze mit ihrem Fraktionsmitglied zerreißt die Union. Ein Fünftel der Bundestagsabgeordneten der Schwesterparteien verweigerten der Fraktionschefin Merkel ihr "Ja" zum Ausschluß Hohmanns. Unerbittlich werden nun alle - bis hinunter zu einfachen Parteimitgliedern - verfolgt und unter Druck gesetzt, die es gewagt haben, sich mit dem ins Visier einer Medienkampagne geratenen Parteifreund zu solidarisieren.

Dennoch glaubt man in der Führungsetage des Konrad-Adenauer-Hauses in Berlin, aber auch der CSU-Parteizentrale in München, daß sich die Wogen schon wieder rasch glätten werden. Das scheinen Erkenntnisse von Beobachtern in den Medien zu bestätigen, die lediglich noch "leichte Nachbeben im Fall Hohmann" ausmachen und aus der Parteizentrale erfahren haben wollen, daß man auf mehreren Zusammenkünften von Parteigliederungen auf Landes- und Bezirksebene "das Durchatmen praktisch (habe) hören können" (Berliner Zeitung).

Also scheint sich ja allerseits das "Problem Hohmann" mit seinem Hinauswurf - wie bei Möllemann - durch das Aufstellen eines separaten Stühlchens in der hintersten Reihe des Bundestages für den Ausgestoßenen elegant in Luft aufgelöst haben. Erinnert Angela Merkel gar nach ihrem politischen Todesurteil für Hohmann "in ihrer neuen Geschlossenheit ... an die Eiserne Lady Maggie Thatcher", wie es die Welt elegisch formulierte?

Kann die Union wirklich zur Tagesordnung übergehen? Sie kann es nicht. Es brodelt sehr wohl weiter an der Basis. Allein wegen der desolaten Lage des Landes insgesamt sind die Wähler und mit ihnen die einfachen CDU- und CSU-Mitglieder immer weniger bereit, der trotz Umzugs von Bonn nach Berlin weiter wie in einem Raumschiff abgehoben über dem Volk schwebenden politischen Klasse noch länger alles durchgehen zu lassen. Gerade angesichts einer rot-grünen Bundesregierung besteht Bedarf an einer harten, offensiven, schlagkräftigen konservativen Opposition. Statt dessen präsentiert sich die Union als ein Haufen eingeschüchterter politischer Windbeutel, die bei der erstbesten schärferen Kampagne schneller in die Knie gehen, als es sich der politische Gegner zu träumen gewagt hätte.

Die Union geht nicht gestärkt, sondern erheblich geschwächt aus dieser Affäre heraus. In einem Moment höchster Umfragewerte, in dem die Wähler der Union, wenn jetzt Bundestagswahlen wären, eine absolute Mehrheit bescheren würden, offenbart sie ihre geistige Führungslosigkeit und Kampagnenunfähigkeit. Die Union ging im Rahmen der Hohmann-Kampagne erneut dem von der Linken erfolgreich am Leben gehaltenen Mythos auf den Leim, CDU und CSU grenzten sich nicht konsequent genug gegenüber "rechts" ab. Das Gegenteil ist der Fall: Während fast die gesamte tonangebende politische Klasse, die Feuilletons, die ganze bundesrepublikanische Hautevolee damit kokettiert, im Zweifel "irgendwie" links, linksliberal zu sein, steigt den schüchternen Milchgesichtern der Union, den Eckart von Klaedens und Friedbert Pflügers, doch schon präventiv die Schamesröte ins Gesicht, wenn sie das Wort "rechts" nur hören. Kurz: Die Union, vor allem die CDU ist unfähig, den Begriff "rechts" im demokratischen Sinne vor Kriminalisierung in Schutz zu nehmen, geschweige denn selbstbewußt politisch zu besetzen.

Arnulf Baring, der den Ausschluß Hohmanns zu Recht als "Armutszeugnis für die Union wie für das liberale Grundverständnis dieses Landes" bezeichnet hat, hielt der Union in einem Interview jetzt vor, befangen zu sein "gegenüber allem, was als rechts und dann auch gleich als rechtsradikal und rechtsextrem gilt". Die Union, so Baring, weise diese Vereinfachung "nicht zurück, sondern denkt, da müsse man sich verteidigen". Das zeige eine "Schwäche und fehlende Kraft der eigenen Überzeugung".

In einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung hat der CSU-Querdenker Peter Gauweiler den Mangel an Solidarität in der Union auf den Punkt gebracht. "Wie vor einem Jahr der SPD-Politikerin Herta Däubler-Gmelin vor ihrer vollständigen Entpersönlichung wegen einer Bezugnahme auf 'Adolf Nazi' und den US-Präsidenten wäre auch dem CDU-Abgeordneten Martin Hohmann noch vor drei Wochen selbst von seinen politischen Gegnern bescheinigt worden, ein achtbares Leben für die öffentliche Sache geführt zu haben. Über fünfzehn Jahre ein höchst erfolgreicher Bürgermeister gewesen zu sein, der zuletzt als Bundestagskandidat seiner Partei das viertbeste Stimmkreisergebnis der CDU in ganz Deutschland erzielte."

Doch Solidarität ist in diesem "bürgerlichen" Milieu wohl ebenso ein Fremdwort wie Zivilcourage. Einzelne mutige Politiker wie Norbert Geis, die noch vor dem Ausschluß Hohmanns den Mumm hatten, sich klipp und klar gegen die öffentliche Hinrichtung ihres Kollegen zu stellen, wurden unter erpresserischen Druck gesetzt: "Als der CSU-Bundestagsabgeordnete von Aschaffenburg Norbert Geis seine Partei davor warnte, in der causa Hohmann den Menschen zu vergessen, wies ihn Edmund Stoiber scharf zurecht. Er werde abwarten, ließ sich der Ministerpräsident in der Presse vernehmen, 'wie sich Geis am Freitag bei der Abstimmung in der Fraktion verhalte'. Er 'erwarte', daß 'Geis sich dann erklären' werde. Womit Stoiber jedem von uns klarmachte, was sich, nach seiner Meinung, von ihm ein CSU-Parlamentarier vorschreiben lassen muß." (Peter Gauweiler)

Die Union glaubt nach wie vor, sich bei geschichtspolitischen, weltanschaulichen Debatten treiben lassen und je nachdem, wie sich gerade in der veröffentlichen Meinung der Wind dreht, pragmatisch, das heißt opportunistisch an die Spitze des Zuges setzen zu können, um den Preis des Verrats an eigenen Grundsätzen. Aber hat die Union überhaupt noch eigene Grundsätze, die sie auch bereit ist, gegen den Gegenwind von Medien und Öffentlichkeit durchzufechten? Ist nicht dieser mit Pragmatismus bemäntelte Opportunismus das geheime Grundsatzprogramm der Union?

Nun hat Angela Merkel angekündigt, sie wolle als Konsequenz aus der Hohmann-Debatte "eine breite Diskussion über Patriotismus und Liebe zum Vaterland" anstoßen - da kann man nur gespannt sein. Als ihr Intimfeind Friedrich Merz im Herbst 2000 eine öffentliche Debatte um eine "deutsche Leitkultur" angezettelt hatte, war sie diejenige, die diese Debatte zügig abwürgte, weil die Medien daraufhin zu einer Kampagne gegen die Union ansetzten.


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