© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/03 05. Dezember 2003

"Hohles und dummes Geschwätz"
Hohmann-Affäre II: Der ehemalige CSU-Landesgruppen-Pressesprecher Rülke im Gespräch
Manuel Ochsenreiter

Herr Rülke, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Wolfgang Bosbach, kündigte an, den Unterzeichnern des Appells "Kritische Solidarität mit Martin Hohmann" die "klare Kante" zu zeigen. Was halten Sie als Unterzeichner von dieser Drohung?

Rülke: Nichts.

Was meint Bosbach mit der "klaren Kante" eigentlich?

Rülke: Ich habe mir lange überlegt, was er unter "Kante" versteht. Ich weiß nicht, was er damit meint, ob etwa Karateübungen oder ob er die Prügelstrafe in der CDU einführen möchte. Ich weiß es einfach nicht. Ich halte es für ein hohles und dummes Geschwätz. Ich habe Bosbach eigentlich für intelligenter gehalten.

Haben Sie mit Bosbach selbst bereits darüber gesprochen?

Rülke: Nein. Auf einer solchen Ebene setze ich mich nicht auseinander. Ich habe überlegt, ihm einen Brief zu schreiben, aber das wäre die 55 Cent nicht wert.

Welche Rolle spielt das Thema Hohmann bei Ihren Unions-Parteifreunden?

Rülke: Ohne Übertreibung kann ich sagen, daß ich nach Bekanntwerden der Rede mit über 50 Leuten - übrigens allesamt frühere höhere Beamte und Akademiker - gesprochen habe. Alle teilen meine Auffassung. Alle sagen: "Solche Aussagen muß die Union verkraften." Außerdem enthält die Rede Martin Hohmanns nicht einmal ein antisemitisches Komma.

Die Spitze der Union kündigte weiter "intensive Gespräche" mit den Unterzeichnern des Appells an, die von den jeweiligen Orts- und Kreisvorsitzenden geführt werden sollten. Fand ein solches Gespräch mit Ihnen bereits statt?

Rülke: Ich bin immer noch CSU-Mitglied im Kreis Günzburg. Noch niemand vom Kreisverband wollte mich deshalb sprechen. Das werden die wahrscheinlich auch nicht tun.

Kennen Sie Unterzeichner aus Ihrem Bekanntenkreis, bei denen ein solches Gespräch stattgefunden hat?

Rülke: Nein, niemanden.

Mittlerweile unterstützen nach Angaben der Initiatoren über 4.000 Unionsmitglieder die Initiative "Kritische Solidarität". Kann die Union überhaupt ein solches Pensum an "intensiven Gesprächen" bewältigen, wenn es Merkel und Bosbach tatsächlich ernst damit meinen?

Rülke: Sehen Sie, relativ weit vorn auf der Unterstützerliste steht beispielsweise der ehemalige Referent des Bundeskanzlers Ludwig Erhard, Gebhard Braun. Die Solidarität mit Hohmann geht bis an die ehemaligen Spitzen der Begleitpersonen der Politik. Sowohl Braun als auch ich haben in den vergangenen Jahren Politik gestaltend begleitet. Was die Drohung angeht: Angela Merkel ist sowohl intellektuell als auch gefühlsmäßig nicht in der Bundesrepublik angekommen. Es rächt sich heute, daß man ihr sowohl den Partei- als auch den Fraktionsvorsitz überlassen hat. Eventuell denkt sie tatsächlich, daß sie mit einer Disziplinierung der Mitglieder das Thema vom Tisch bekommt.

 

Helmut Rülke, 69, ist Mitunterzeichner des Appells "Kritische Solidarität mit Martin Hohmann". Er war von 1967 bis 1969 Pressesprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag und arbeitete später für den Deutschlandfunk.

 

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