© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/03 12. Dezember 2003

Henscheids Erzählungen
Neue Sprachvirtuositäten
Werner Olles

Nach den beiden ersten Romanbänden und den berühmt-berüchtigten Polemiken sind nun in Eckhard Henscheids Gesammelten Werken zwei Bände Erzählungen erschienen. Sie enthalten neben manchen lange vergriffenen Klassikern und zwei Erstveröffentlichungen ("Lohengrin 2003" und "Sterben in Kummertal. Eine Bergerzählung") auch ein editorisches Nachwort, in dem der Verfasser Auskunft erteilt über die recht kuriosen Geschichten der Entstehung seiner Erzählungen.

Der erste Band eröffnet mit der wundersamen Erzählung "Die Lieblichkeit des Gardasee", gefolgt von "Frau Knopf und Herr Eiermann", beides wahre Kleinode der Sprach-Virtuosität und von jener stilistischen Bandbreite, die den Leser immer wieder aufs neue verblüfft und unwiderstehlich in ihren Bann zieht. "Up up, Holzer and away" ist hingegen eine preiswürdige Satire auf den Rummel der sogenannten "Alten- und Weihnachtshilfe" der Frankfurter Rundschau und ihren früheren Chefredakteur, während "Ein scharmanter Bauer" in die Niederungen einer bis dahin eigentlich ganz passablen Beziehung fährt, was man von "Im Puff von Paris" wahrlich nicht sagen kann. Dennoch gehört gerade letzteres neben der "Postkarte" zu den besten Stücken des Bandes.

Im zweiten Band begeistern uns außer den "Drei Kafka-Geschichten" - und den "Offenen Gräbern" natürlich - vor allem "Der Neger (Negerl)" und "Poschiavo - Graz einfach". In die akademische Welt der Geisteswissenschaften führt uns der Autor hingegen mit seiner Erzählung "10:9 für Stroh". Im Zuge einer Prüfung, die zum geballten Intellektual-Endkampf zwischen Prüfer und Prüfling entartet, erweist sich hier, daß selbst knappe Punktsiege in jedem Fall mörderisch sein können und die robustere Seite nicht immer unbedingt auch psychostrategisch die besseren Karten hat. "Ein Schmerz" beschreibt des Autors eigenen, fast aussichtslosen Kampf gegen eine besonders heimtückische und üble chronische Schmerzkrankheit, die den Geschundenen wohl über Monate plagte. So beinhaltete der Kampf gegen den wütend tobenden Schmerz neben Reflexzonentherapie, Eisreibungen, Fangopackungen und dreimal täglich Musarilchen schließlich und endlich auch die überzeugende Erkenntnis, daß es beim menschlichen Dasein - was immerhin schon Rilke, Hemingway und Gottfried Benn bezeugten - eigentlich nur ums nackte Überleben geht.

Eckhard Henscheid: Erzählungen. Band 1 und 2. Verlag Zweitausendeins, Frankfurt/ Main 2003, 617 und 641 Seiten, jeweils 25 Euro


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