© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/04 02. Januar 2004

Zeitschriftenkritik: Wolfzeit
Der Gral rückt näher
Claus-M. Wolfschlag

Den Spagat zwischen Dark Wave-Spektrum, Esoterik und germanischem Traditionalismus versucht die halbjährlich erscheinende westfälische Zeitschrift Wolfzeit. Die Verbindung zum Wave-Bereich macht sich vor allem an umfangreichen diesbezüglichen Tonträgerbesprechungen sowie zahlreichen Anzeigen, zum Beispiel von "Eis & Licht", "Tesco Organisation Germany" oder der Zeitschrift Refraktor, deutlich. Um liebevolles Layout bemüht, druckt man viele Überschriften in fetter Frakturschrift, germanische Schlingornamentik dient als Strukturelement, Runenzeichen und ungewöhnliche Graphik lockern die bisweilen etwas schweratmig-esoterischen Texte auf.

Wolfzeit versteht sich als programmatische Schriftenreihe auf dem Weg zu einer neuen spirituellen Epoche: "Das Erdzeitalter, in das wir eingetreten sind, erscheint uns unverletzlich, ewig fortbestehend, für immer gültig. Dabei sind unsere Eigenschaften, unser selbst erschaffenes, technokratisches Imperium, endlich und temporär wie alle Dinge. Je höher die Stahltürme wachsen, je formloser die gesichtsleere Masse wird, die sie anbetet, desto stärker tobt das Feuer in ihrem Inneren - bis alles nur noch Erschütterung, Entzündung und Strahlung ist." Nie seien der Hunger nach Brennstoff und die Beschleunigung größer gewesen als in der Gegenwart, die aber kein Opfer zu zahlen bereit sei. Doch diese letzte Phase der Anmaßung und Arroganz wider die Natur trage bereits den Kern des Untergangs in sich: "Kriege, Überschwemmungen und Verödung sind lediglich Vorzeichen, Symptome einer Krankheit. Wir sind Teile dieses Prozesses. Und mehr denn je sind Tugenden gefragt, um ihn zu meistern: Aufrichtigkeit und Leidenschaft, diese vor allen anderen. (...) Der Gral rückt näher."

Von unterschiedlichen Seiten versucht sich Wolfzeit dieser Thematik anzunehmen: Wielend Burzinger beschäftigt sich mit den verschiedenen Masken Wotans und setzt sie in Beziehung zu den von C.G. Jung beschriebenen unbewußt schlummernden Ur-Archetypen. Vadge Moore bringt Aleister Crowley und Jesus Christus in Verbindung zu mystischer "Sex Magick". Ein interessanter Reisebericht nähert sich dem apulischen Castel del Monte. Weitere Aufsätze handeln von den spirituellen Hintergründen des Vlad Tepes, bekannt als "Dracula", oder der Geschichte des islamischen Geheimbundes der Assassinen. Ein umfangreiches Interview mit dem Künstler Markus Wolff führt in dessen interessantes graphisches Werk, das sich intensiv mit heidnischen Traditionen und dem "Geheimen Deutschland" auseinandersetzt. Wolff rief unter anderem das "Heidnischwerk" ins Leben, schuf Entwürfe für die Band Neurosis und initiierte das musikalische Projekt Waldteufel. In einem weiteren Interview kann Uwe Nolte von Orplid seiner elitären Belustigung über den modernen Massenmenschen freien Lauf lassen. Letzterer wird sich nicht beleidigt fühlen, dürfte er doch kaum Zugang zu dieser sehr speziellen, aber durchaus interessanten Zeitschrift finden. 

Wolfzeit. Mythos, Mystik, Minnesang, Postfach 7117, 58122 Hagen i.W. Der Einzelpreis beträgt 4 Euro zuzüglich 1 Euro Versandkosten.


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