© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/04 09. Januar 2004

Zwangsgelder für Parteipolitik
Rundfunkgebühren: Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten hat keinen Anreiz zu Einsparungen
Bernd-Thomas Ramb

Die Diskussion um die Erhöhung der Rundfunk- und Fernsehgebühren der öffentlich-rechtlichen Anstalten - im Volksmund auch als "Rotfunkzwangsgebühren" bespöttelt - tritt in ihre entscheidende Phase. Die nächste vierjährige Gebührenperiode beginnt 2005, und die Beschlußfassung über die Gebührenanpassung soll rechtzeitig abgeschlossen sein. Schließlich ist dazu ein einstimmiges Votum der Bundesländer erforderlich. Doch davon sind die beteiligten Parteien bislang weit entfernt. Fest steht zur Zeit nur, daß es keinesfalls eine Absenkung der bis Ende dieses Jahres gültigen Monatsgebühr von 16,15 Euro geben wird.

Die Bezeichnung "Gebührenanpassung" bleibt demzufolge eine sprachliche Beschönigung der Tatsache, daß seit Einsetzung der Zwangsabgabe für Rundfunk- und Fernsehen nur eine Richtung für die monatlichen Beiträge der Zuhörer und Zuschauer existiert: immer höher und höher. Bei ihrer Einführung 1954 begnügten sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten noch mit einem Rundfunkbeitrag von zwei Mark und einem Fernsehbeitrag von fünf Mark. Eine erste Gebührenerhöhung gab es erst 16 Jahre später. 1970 wurden noch recht bescheiden die Rundfunkgebühren auf 2,50 und die Fernsehgebühren auf sechs Mark erhöht. Danach ging es jedoch Schlag auf Schlag. Innerhalb von 30 Jahren vervierfachten die Staatssender ihre Gebührensätze von 8,50 auf 31,58 Mark.

Nun fordern die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für die nächste Gebührenperiode eine Anhebung des Beitrags auf 18 Euro oder in altvertrauter Währung auf 35,20 Mark pro Monat. Das wäre eine erneute Steigerung um 11,5 Prozent. Die Forderung der staatlichen Medienanstalten trifft die Entscheidungsträger in den Ländern jedoch nicht ungefiltert. Seit 1975 existiert auf Beschluß der Ministerpräsidenten die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), die zunächst nur Empfehlungen zu den Gebührenforderungen der Sender aussprechen sollte.

Seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1994 zur Neuregelung des Gebührenfestsetzungsverfahrens hat die KEF die Aufgabe, "unter Beachtung der Programmautonomie der Rundfunkanstalten deren Anmeldungen fachlich zu überprüfen und den Finanzbedarf festzustellen". Bezüglich der laufenden Erhöhungswünsche lautet das Urteil der KEF: Es ist nur eine Anhebung um 1,07 Euro auf 17,22 Euro notwendig.

Die Beurteilung der KEF ist für die Länderkonferenz jedoch nicht bindend. Und das ist gut so. Denn die Zusammensetzung der Mitglieder der KEF ist äußerst kritisch zu werten. Formell entsendet jedes Bundesland einen "unabhängigen Sachverständigen". Dessen Berufung erfolgt durch den jeweils amtierenden Ministerpräsidenten für die Dauer von fünf Jahren. Ein Schelm, wer glaubt, parteipolitisches Kalkül bliebe dabei unberücksichtigt. So erweist sich auch der Geschäftsführer der KEF, Horst Wegner, als ausgewiesener SPD-Parteigenosse. Von 1972 bis zu seiner Berufung als KEF-Leiter im Jahr 1994 war er Referent beim SPD-Parteivorstand in Bonn, davon 1982 bis 1986 Bundessekretär der Jungsozialisten in der SPD und 1987 bis 1992 Haushaltsreferent der SPD, sowie Haushaltsreferent in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz.

Dem Kriterium eines unabhängigen Sachverständigengremiums widersprechen auch die zahlreichen Verquickungen einiger KEF-Mitglieder mit den betroffenen staatlichen Rundfunkanstalten. So hat sich im noch laufenden Gebührenverfahren der stellvertretende Vorsitzende der KEF, Horst Bachmann, bei einem Besuch der Bremer SPD für einen ARD-internen Finanzausgleich zugunsten der kleinen Anstalten ausgesprochen. Der kleine Sender Radio Bremen vernahm die Äußerung des Bremer Vertreters in der KEF mit Freude. Ein anderes Mitglied der KEF, Helmuth Neupert, war 1991 als Referatsleiter in der Sächsischen Staatskanzlei mit der Ausarbeitung der Rundfunkgesetze betraut und ein Jahr später Hauptabteilungsleiter beim neu gegründeten Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).

Ein besonderes Beispiel persönlicher Interessenverknüpfung bietet der ehemalige Ministerialdirektor Franz Arnold, der lange Jahre für das Bundespostministerium und die Deutsche Telekom tätig war und bis 2002 den Verkauf der Kabelnetze an private Investoren organisierte. Gleichzeitig ist Arnold seit 1993 von Nordrhein-Westfalen in die KEF delegiert worden. Der heutige Unternehmensberater im Bereich Telekommunikation ist seit kurzem Mitglied des Beirats der "ish GmbH & Co. KG", quasi eine Art Aufsichtsratsmitglied dieser Firma. Hinter "ish" - einem reinen Phantasiename - verbirgt sich der größte Anbieter von Kabelfernseh-Programmen in Nordrhein-Westfalen. Kaum denkbar, daß Beiratsmitglied Arnold in der Gebührenfindungskommission Entscheidung gegen sein Unternehmen treffen wird, etwa Sender oder Programme einzustellen.

Daß es der KEF grundsätzlich schwerfällt, über die Schließung von Sendern oder Programmsparten zu befinden, liegt neben der persönlichen Interessenverstrickung auch an der Verteidigung landesspezifischer Anstaltsinteressen - und am Geld. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten erhalten rund 6,5 Milliarden Euro jährlich an Gebühren. Durch die zulässigen Werbeblöcke dürften noch ein paar hundert Millionen dazukommen. Alle privaten Sender erhalten dagegen zusammen nur vier Milliarden Euro Werbeeinnahmen.

Ein Ausweg aus der Zwangsjacke der Rundfunkgebühren ist kaum zu erkennen. Die Ministerpräsidenten der Länder müßten sich schon in Selbstbeschneidung üben. Das fällt allenfalls leicht, wenn zwischen Landesregierung und Sendeanstalt politische Farbunterschiede bestehen. Aber selbst da überwiegt die verführerische Erwartung, die personelle Besetzung der Schaltstellen in den Sendern erfolgreich parteipolitisch umwandeln zu können, um so wie die Regierungen zuvor Medienmacht zur Machterhaltung mißbrauchen zu können.


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