© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/04 16. Januar 2004

Die neue Zeit im ZDF: Manga-Monster statt witzige Wichtel
Rettet die Mainzelmännchen!
Steffen Königer

Herr Corzani, Sie haben im Internet die Initiative "Helft den Mainzelmännchen" ins Leben gerufen. Wie kommt man auf so eine Idee?

Corzani: So um den 3. Dezember habe ich zu Hause gesessen und zum ersten Mal im Fernsehen die neuen Mainzelmännchen gesehen. Ich bin vor Schreck fast von der Couch gefallen. Sie hatten plötzlich so erschreckende Gesichter und hatten nichts mehr mit dem zu tun, was ich unter "Mainzelmännchen" kannte. In meiner ersten Wut hab ich mich dann ein paar Stunden hingesetzt, Texte ins Netz gehackt, Bilder dazugestellt und die Adresse an ein paar Freunde weitergemailt.

Das hat gewirkt, schließlich haben sich schon über 8.900 Leute ins Gästebuch eingetragen und eine Protestmail an das ZDF geschickt. Viele Besucher der Netzseite meinen, die Mainzels hätten ihre Seele verloren.

Corzani: Ich finde sie absolut seelenlos, ja sogar aggressiv! Wenn man sich die Augen anschaut, die einen anglotzen, und dann sind die Filme auch so kurz und völlig daneben. Es gibt eine Szene, wo Conni mit einer elektrischen Zahnbürste umherhantiert und seine Zähne nur so durch die Gegend fliegen. Ich weiß nicht, was das noch mit "Pausenfüllern" zu tun haben soll.

1963 erfand der heute 75jährige Wolfgang Gerlach die niedlichen Zwerge mit Zipfelmützen, die ­- zur damaligen Zeit - ­mit Latzhose und Pullunder etwas typisch Deutsches hatten. Jetzt sehen sie eher aus wie Kamikaze-Trickfilm-Figuren. Hat er sich nicht gewehrt?

Corzani: In einem Brief habe ich ihm von der Netzseite und den Reaktionen vieler Zuschauer berichtet, die seine Originalmännchen wieder zurückhaben wollten. Leider habe ich nichts von ihm gehört, er ist ja schon ein älterer Herr.

Der Chefzeichner, Jürgen König, findet die neuen jedenfalls "frischer, fröhlicher und viel frecher"...

Corzani: Was soll er sonst auch sagen? Was mich am meisten stört, ist ja auch die Tatsache, daß das neue Design von einer Frankfurter Werbeagentur ver-brochen wurde. Herr König setzt nur das Ergebnis um. Und nun werden alle sechs im Manga-Stil gezeichnet.

Ist dieser "Manga-Stil" so ungeeignet?

Corzani: Es gibt zwei Richtungen: Anime und Manga. Der japanische Zeichenstil Manga wurde auch schon bei "Heidi" eingesetzt. In diesem Stil wird alles Mandelförmige am Auge abgelehnt. Es gibt auch gutgemachte Figuren dieser Richtung, aber da müssen Emotionen rüberkommen, und das ist in den Drei-Sekunden-Filmchen nicht der Fall.

Gab es nicht längere Sequenzen?

Corzani: Es gab sogar kurze Spielfilme, die sogenannten "Mainzelmännchenkapriolen".

Es hat sich mit Markus Söder, dem Generalsekretär der CSU, gerade mal ein Politiker zu Wort gemeldet, der auch die alten Figuren wiederhaben möchte. Wieso nur er?

Corzani: Ich habe quer durch alle Fraktionen Politiker angeschrieben, noch mehr per E-Post. Söder war der einzige, der reagiert hat. Der kann sich leider auch nicht weiter engagieren, ­ er sitzt schließlich im Verwaltungsrat vom ZDF.

Edi fährt Skateboard und fuchtelt mit dem Funktelefon rum, Fritzchen rappt - ­was erwartet uns noch?

Corzani: Warum hätten den ganzen Circus mit den modernen Sachen denn nicht die Alten machen können? Es ist ja klar, daß man nicht mehr mit Kerzen durch die Gegend rennt, aber auch dem alten Det hätte man eine Taschenlampe verpassen können. Bei den alten Charakteren wurden noch kurze Geschichten erzählt, jetzt ist nach drei Sekunden Computerrasseln oder Handyklingeln alles vorbei. Dahin geht auch die Hauptkritik der Menschen, die sich in das Gästebuch eingetragen haben. Es ist köstlich zu lesen, wie emotionsgeladen da diskutiert wird. Es gibt ja schließlich wichtigeres als ein paar Wichtel mit Mütze. Aber dort finden Sie Betroffene, die sich sogar im Namen ihrer Verwandten beschweren. Teilweise, so wird berichtet, haben die Kinder sogar Angst vor den neuen Figuren.

In den 40 Jahren Entwicklung gab es ja schon einige Veränderungen. Von Schwarz-weiß zur Farbe...

Corzani: Richtig, sie wurden zweimal mit kleinen Veränderungen modifiziert, blieben aber immer erkennbare Charaktere, die den Leuten sympathisch waren und ans Herz gewachsen sind. Die knuddeligen, knuffigen Männchen mit den Kulleraugen, wie sie hauptsächlich von Frauen beschrieben werden. Das fehlt jetzt völlig.

Und was sagen Sie zu den Auftritten der "Maizelmädchen"?

Corzani: Ich hätte nichts gegen Mainzelmädchen einzuwenden, wenn sie im ursprünglichen Stil gezeichnet wären.

Wenn das ZDF mit der Zeit gegangen wäre, hätte es nicht auch an unsere ausländischen Mitbürger denken können, so in der Art "echt voll kraß Döner"? Fürchten Sie denn, daß da noch mehr passiert?

Corzani: Ich möchte mir nicht ausmalen, was noch passieren kann. Das ZDF versucht ja, im wahrsten Sinne des Wortes dem Zeitgeist hinterherzurennen. Es heißt doch eigentlich "Never change a winning team", und der Retro-Trend greift Dinge von vor 40 Jahren auf. Adidas verkauft Taschen im Uralt-Design, die Lufthansa bringt Embleme von damals, und ausgerechnet die Mainzelmännchen, die ein Zeichen für Mainz und das ZDF sind, die werden in einem völlig modernen Stil gezeichnet.

Um auf die knuddelige Sprache des "Gud'n Aaamnd" zu kommen: Wer hat den Mainzelmännchen denn eigentlich seine Stimme und sein Lachen verliehen?

Corzani: Das "Gud'n Aaamnd" stammt von Wolfgang Gerlach und ist seit 40 Jahren unverändert, die restlichen Mainzel-O-Töne kommen von einer Wiesbadener Firma für Vertonungen.

 

Marco F. A. Corzani, 44, ist Geschäftsführer des Frankfurter Internetunternehmens Alphaweb Media Consulting GmbH. Nähere Informationen gibt es im Internet auf der Seite www.helftdenmainzelmaennchen.de .

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