© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/04 23. Januar 2004

PRO&CONTRA
Soll die JF Tageszeitung werden?
Alfred Mechtersheimer / Bruno Bandulet

Man könnte anführen, daß es in Deutschland schon genügend konservative Tageszeitungen gäbe. Mit der Frankfurter Allgemeinen und der Welt wäre es doch ein leichtes, ein solches Vorhaben, die JUNGE FREIHEIT zur Tageszeitung machen zu wollen, ablehnend vom Tisch zu wischen. Aber frischer Wind ist in diesem Land mehr als notwendig! Steht in den existierenden Zeitungen wirklich noch das, was auch gestandene Konservative getrost zu ihrem Gedankengut zählen können?

Die taz hat sich aus ganz ähnlichen Motiven gegründet: sie wollte ein unabhängiges Projekt außerhalb der eingeschliffenen Pfade sein, um die Republik von links immer wieder erneut in Frage zu stellen. Sie wollte eine Klientel vertreten, von der damals davon ausgegangen werden konnte, daß sie nicht ausreichend oder falsch in der Öffentlichkeit dargestellt wurde.

Viele Konservative müssen doch genau dabei ein Aha-Erlebnis haben. Was wird in den Kolumnen, Kommentaren, seitenfüllenden Texten der Tageszeitungen nicht alles als christlich, konservativ oder bürgerlich bezeichnet. Sie haben diese Werte zwar teils sogar in ihrem Wappenspruch, werden sie diesen hehren Ansprüchen denn überhaupt noch gerecht?

Hinzu kommt, daß wir uns in einer sehr schnellebigen Zeit befinden. Dinge, die heute gesagt werden, sind morgen schon kalter Kaffee. Eine Wochenzeitung kann sich tiefgehend mit inhaltsvollen Dingen beschäftigen. Reagieren - sei es auf Medienberichte oder Pressemitteilungen - kann sie jedoch im ungünstigsten Fall erst zehn Tage später.

Sicher, es wird noch viel Wasser die Spree herunterfließen, ehe daran gedacht werden kann, aus der gerade zehnjährigen Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT eine Tageszeitung zu formen. Doch einer Erfolgsgeschichte geht immer eine Vision voran.

Dr. Alfred Mechtersheimer ist Sprecher des Friedenskomitees 2000. Er saß von 1987 bis 1990 für die Grünen im Bundestag.

 

 

Zunächst einmal muß ich gestehen, daß ich angesichts dieser Frage nicht unbefangen bin. Ich habe mich bei Wochen- und Monatszeitschriften (Quick, Transatlantik, Zeitbühne) immer wohler gefühlt als bei Tageszeitungen (Die Welt). Weil man mehr Zeit hatte zu recherchieren, weil das Schreiben nicht auf Kosten des Denkens ging, weil der Zwang entfiel, zu melden, was nicht erwähnenswert war. Im Prinzip ist der Wochenjournalismus besser als der Tagesjournalismus, er sollte es jedenfalls sein. Um wieviel besser wäre Harald Schmidt gewesen, wenn er sich nur wöchentlich gezeigt hätte!

Nehmen wir einmal an, die JF wäre schon in den vergangenen Monaten als Tageszeitung erschienen. Dann hätte sie beispielsweise über die ermüdende Steuerdebatte berichten müssen, über das, was Merkel, Merz, Stoiber und Eichel ständig von sich gaben - nur um dem Publikum am Ende mitzuteilen, daß alles nicht ganz ernst gemeint war (zugegeben, mit Ausnahme von Merz). Die JF wäre gezwungen gewesen, ihren Lesern die Zeit zu stehlen. Nichts anderes tun ja die Tageszeitungen und Fernsehsender tagtäglich. Sie melden, was besser im Papierkorb aufgehoben wäre und was vom Konsumenten (hoffentlich) längst nicht mehr ernst genommen wird. Wie schön wäre doch ein TV-Wochensender! Hintergrund, Kontext, fundierte Meinung finden sich zwar auch (in Maßen) in manchen Tageszeitungen. Sie sind aber in einem Wochenblatt besser aufgehoben. Die Wochenzeitung ist ein Medium der Entschleunigung. Sie ist das Gegengift zur heutigen Kurzfristigkeit.

Im übrigen sollte niemand unterschätzen, was die Gründung einer Tageszeitung kostet. Ein zweistelliger Millionenbetrag ist da schnell verbraten. Kompromißvorschlag: Falls die als Wochenzeitung so erfolgreiche JF finanziell und personell die Möglichkeit hat, sollte sie eine sehr knappe und sehr pointierte Tageszeitung (eine Seite genügt) ins Internet stellen.

 

Dr. Bruno Bandulet ist Herausgeber des monatlichen Informationsdienstes DeutschlandBrief.


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