© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/04 30. Januar 2004

"Als Bürgermeister darf ich kein Gespräch verweigern"
Thannhausen II: Bürgermeister Johannes Schropp über den Moschee-Konflikt, den Umgang mit Fundamentalisten und die Muslime in seiner Gemeinde
Manuel Ochsenreiter

Herr Bürgermeister Schropp, in Ihrer Gemeinde Thannhausen findet ein erbitterter Streit um den Bau eines "Islamischen Kulturzentrums" statt - wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Schropp: Am 15. September 2002 wurde auf einer öffentlichen Veranstaltung in Thannhausen eine Bauvoranfrage vorgestellt. Diese hatte auf einem 3.000 Quadratmeter großen Grundstück eine völlig überdimensionierte Moschee mit Kuppelbau und zwei 35 Meter hohen Minaretten vorgesehen. Hierzu zählten auch noch islamische Kultureinrichtungen. Dies wurde als "Islamisches Kulturzentrum" betitelt. Hier sagte allerdings die Thannhauser Bevölkerung zu Recht: Nein, so nicht! Ein islamisches "Wallfahrtszentrum", wie ich das Vorhaben bezeichne, wollen wir hier weiß Gott nicht haben.

Sie sagten Wallfahrtszentrum?

Schropp: Unsere Stadt hat bei 6.500 Einwohnern etwa 700 Muslime. Wir haben etwa genauso viele evangelische Christen hier in Thannhausen. Deshalb ist meiner Meinung nach auch das evangelische Gemeindezentrum das Maß, nach dem sich das muslimische Vorhaben richten muß - und dieses ist relativ klein.

Wie ist Ihr persönlicher, grundsätzlicher Standpunkt zur Frage einer Moschee in Ihrer Stadt?

Schropp: Jeder Glaubensgemeinschaft sollte im Sinne der freien Religionsausübung ein entsprechendes Gebäude zugestanden werden. Die Betonung liegt hierbei auf "entsprechend". Das meint also entsprechend der Anzahl der Gläubigen und entsprechend ihren Bedürfnissen. Aber auch die äußere Form spielt eine gewichtige Rolle. Ich halte einen orientalisch-maurischen Baustil mit Kuppelbau und Minarett in unserer Gegend für provozierend und wenig sinnvoll für das Zusammenleben. Das paßt einfach nicht in unsere Landschaft.

Der Träger des Zentrums soll nach Angaben des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz der fundamentalistisch-islamistischen Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) nahestehen. Sehen Sie darin keine Gefahren für den Frieden in Ihrer Gemeinde?

Schropp: Grundsätzlich teile ich die Bedenken und Ängste gerade nach dem 11. September, was die Problematik islamistischer Umtriebe hierzulande angeht. Ich meine aber, daß eine Kommune wie Thannhausen nur sehr begrenzte Möglichkeiten hat, zu einem solchen Thema Aussagen zu machen. Hierbei sehe ich eher Bund und Land als Gesetzgeber gefordert.

Aber könnte das Zentrum nicht genau wegen eines solchen Trägers auch zum überregionalen Anziehungspunkt für Islamisten aus der Umgebung werden?

Schropp: Das müßte dann sowohl in Günzburg als auch in Augsburg bereits der Fall sein. In beiden Städten bekennt sich jeweils ein Moschee-Trägerverein zur IGMG. In Augsburg gab es sogar in den neunziger Jahren eine von der Stadt finanzierte Broschüre des Ausländerbeirates, in der sich die IGMG über mehrere Seiten darstellen durfte.

Können Ihrer Meinung nach islamistische Fundamentalisten überhaupt Partner in einem christlich-islamischen Dialog sein?

Schropp: Wenn es nachgewiesenermaßen Fundamentalisten sind, kann ich selbstverständlich keinen gleichberechtigten Dialog führen - das muß klar sein. Allerdings muß ich als Bürgermeister meine persönliche Meinung zu irgendwelchen politischen, ideologischen oder religiösen Ansichten ausblenden und kann wie im vorliegenden Fall nur nach bauplanungsrechtlichen Gesichtpunkten beurteilen. Deshalb darf ich dem Islamischen Verein als Bürgermeister kein Gespräch verweigern.

In der politischen Auseinandersetzung wurden Rücktrittsforderungen laut. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, dem Stadtrat Informationen des Verfassungsschutzes über die fundamentalistischen Ziele des Islamischen Vereins in Thannhausen vorenthalten zu haben ...

Schropp: Das kann ich so nicht stehenlassen. Bereits einen Monat, bevor ich vom Landesamt für Verfassungsschutz die Informationen über den Islamischen Verein bekommen habe, wurde das Thannhauser Bürgerforum durch eine Anfrage unseres Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein (CSU) über die IGMG-Nähe des Vereins informiert. Das Bürgerforum informierte daraufhin alle Fraktionen des Stadtrates sowie die Öffentlichkeit. Da ich grundsätzlich davon ausging, daß die Fraktionen bereits informiert seien, habe ich selbst nach dem Eingang der Nachricht vom Verfassungsschutz diese einen Monat später nicht nochmals informiert - das kann man mir vorhalten. Denn einige Stadträte sind der Ansicht, daß ich sie über den Brief vom Landesamt hätte informieren müssen. Daraus einen Rücktritt zu konstruieren, ist meiner Meinung nach schon sehr an den Haaren herbeigezogen.

Das gegen das Moscheebau-Projekt gebildete überparteiliche Bürgerforum wirft Ihnen vor, sie würden eine Gruppe liberaler und laizistischer türkischer Muslime, die ebenfalls nach einem "angemessenen Gebetsraum" verlangen, zugunsten des umstrittenen Islamischen Vereins aus der Debatte ausblenden.

Schropp: Dies ist absolut unwahr. Ich spreche bereits seit Jahren mit der Gruppe Bosporus, einem Thannhauser Fußballverein. Schon lange, bevor das Bürgerforum überhaupt existierte, habe ich mit dem Verein über ein neues Vereinsheim gesprochen.

Ein Vereinsheim ist keine Moschee oder Gebetsraum ...

Schropp: Dies war bei Bosporus auch noch nie das Problem. Diese Frage nach einem eigenen Gebetsraum ist erst jetzt im Zuge der Debatte aufgetaucht. Auch hier sage ich, wenn diese Leute einen Gebetsraum wollen, werden sie seitens der Stadt genauso behandelt und werden gegebenfalls genauso ihren Gebetsraum bekommen können. Da gibt es von meiner Seite keinerlei Unterschiede.

 

Johannes Schropp, 58, ist Bürgermeister der Stadt Thannhausen im Kreis Günzburg. Er ist Mitglied der CSU.

 

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