© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/04 06. Februar 2004

Zeitschriftenkritik: Deutschland-Journal
Bausteine einer nationalen Identität
Werner Olles

Das von der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft herausgegebene Deutschland-Journal - Untertitel: "Fragen zur Zeit" - widmet sich in seiner Ausgabe 2003 dem Thema "Identität". Zu diesem Komplex gehört selbstverständlich auch die Zurückgewinnung einer unverfälschten Geschichtsbetrachtung jenseits der (zwangs-)vertraglich vereinbarten, merkwürdigerweise jedoch immer noch geltenden Feststellungen der Nürnberger (Sieger-)Prozesse.

Inzwischen kommen aber ständig neue Ungeheuerlichkeiten ans Tageslicht: durch grausame Folter erpreßte "Geständnisse" in Nürnberg, die Vernichtung von Büchern durchaus auch im "antifaschistischen" Sinne völlig unverdächtiger deutscher Autoren im Zusammenhang mit der rigoros durchgeführten Umerziehung und nicht zuletzt die allmähliche Akzeptanz bei ernstzunehmenden Historikern, endlich auch den Holocaust als Forschungsobjekt anzunehmen, anstatt diesen im Sinne der "Holocaust-Industrie" (Norman Finkelstein) zu einer Art Ersatz-Religion umzufunktionieren.

General a.D. Günter Kießling lenkt in seinem Beitrag "Die Alte Armee im Traditionsverständnis der Bundeswehr" den Blick auf eine künftige europäische Verteidigungsgemeinschaft. Er plädiert entschieden dafür, nicht länger "ganze Epochen deutscher Geschichte aus der Tradition auszuklammern". Der "Geist der Armee" habe seine Wurzeln in unserer Vergangenheit. Generalleutnant a.D. Franz Uhle-Wettler erinnert an Victor Gollancz und George Bell, zwei Briten, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg für Deutschland eingesetzt hatten. Der mit George Orwell befreundete Verleger Gollancz, der sich nach 1933 für die aus Deutschland vertriebenen Juden engagierte und später in gleicher Weise für die aus Israel vetriebenen Palästinser und die aus Ostdeutschland vertriebenen Deutschen, ist heute bei uns leider weitgehend in Vergessenheit geraten.

George Bell, Bischof von Chichester und Mitglied des Oberhauses, gehörte zu den schärfsten Kritikern des anglo-amerikanischen Bombemkrieges gegen die deutschen Städte. Die barbarischen Angriffe auf unbewaffnete Frauen und Kinder geißelte er als "Nazi-Philosophie" und rief seinen Landsleuten im Oberhaus zu: "Das, Mylords, ist keine vertretbare Form der Kriegführung. Das ist totale Vernichtungspolitik, aber keine Kriegshandlung." Auch Bell, der wie Gollancz daran erinnerte, daß die Deutschen in jenen Jahren nicht nur Täter, sondern auch Opfer waren, ist heute in Deutschland fast ganz vergessen.

Der Schriftleiter der Deutschen Sprachwelt, Thomas Paulwitz, kommt in seinem Aufsatz "Sprache und Identität" unter anderem zu dem Ergebnis, daß zu den beliebtesten Vornamen in Deutschland seit Jahren keine deutschen Namen mehr zählen. Auf den vorderen Plätzen findet man fast nur Vornamen aus dem Alten Testament und dem Judentum. Da gestiegene Frömmigkeit als Grund dafür wohl nicht in Frage kommen dürfte, geht er zu Recht von einer über die US-Kulturindustrie erfolgenden schleichenden globalen Missionierung aus, die im identitätslosen Land auf offene Ohren trifft.

Anschrift: Staats- und Wirtschaftpolitische Gesellschaft e.V., Postfach 1320, 21453 Reinbek. Internet: www.swg-hamburg.de


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