© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/04 20. Februar 2004

Zeitschriftenkritik: Pro
Von Bildung keine Spur
Werner Olles

Vierteljährlich erscheint, herausgegeben vom Christlichen Medienverbund Konferenz evangelikaler Publizisten (KEP) und der Christlichen Medien-Akademie (CMA), das Magazin Pro. Der Heftumfang beträgt jeweils etwa dreißig Seiten im Zeitschriftenformat. Neben den Rubriken "Porträt", "Kommentar", "Jahr der Bibel", "Medienmacher", "Bücherbummel", "Christ & Wirtschaft", "Kinder & Medien" und "Computer & Technik" befaßt man sich im Titelthema der jüngsten Ausgabe schwerpunktmäßig mit Bildungspolitik.

Im Beitrag "Medien, Eltern, Schule - Kinder im Erziehungsnotstand?" beklagt sich ein Pädagoge, daß Dutzende seiner Schüler in der Pause auf dem Schulhof rauchen und Alkohol konsumieren. Man habe die "Kids" kaum noch im Griff, die rituellen Ermahnungen der Lehrer nehme niemand mehr ernst. Offenbar droht an vielen öffentlichen Schulen die totale Anarchie, "Regeln" und "Vorschriften" werden grundsätzlich nicht mehr eingehalten, und den Pädagogen flattert zunehmend der Rock. Gutes Benehmen scheint danach nur noch in christlichen Internaten und Klosterschulen eine Selbstverständlichkeit zu sein.

Da die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft wesentlich auf dem geistigen Potential nachwachsender Generationen beruht, richtet sich das Augenmerk der Bildungspolitiker und -publizisten ganz natürlich auf diese. Die Pisa-Studien haben manche unbegründeten Hoffnungen gründlich zerschlagen, aber leider nicht alle. Noch immer halten linke Pädagogen Leistung für "strukturelle Gewalt", Erziehung für "Repression" und Unterricht für ein Ereignis, das vor allem Spaß machen muß. Dementsprechend sinkt das Niveau der Lehrstellenbewerber von Jahr zu Jahr, inzwischen gelten mindestens fünfzehn Prozent der Jugendlichen als nicht ausbildungsfähig. An den Hochschulen sieht es noch düsterer aus, ein gutes Drittel der Studenten gilt als studierunfähig, in einzelnen Fächern finden sich gar 60 Prozent Abbrecher.

Ähnliche Ergebnisse bekam man von einer deutschen Großbank zu hören, die ihren Nachwuchskräften eigens beibringen mußte, daß Mozart, Beethoven und Haydn zur deutschen Klassik gehören. Eine Düsseldorfer Medienagentur hatte mit aufstrebenden Jungakademikern ebenfalls interessante Erfahrungen gemacht. So sollten die "Leiden des jungen Werther" von Günter Grass, die "Lustige Witwe" von Richard Wagner stammen und der französische Staatschef Lafontaine heißen. Bewerber für einen internationalen Studiengang in Dresden suchten Spanien hingegen in Lateinamerika, kürten Mandela kurzerhand zum UN-Generalsekretär und ließen Marilyn Monroe posthum zur Gründerin von Monrovia aufsteigen.

Daß Schule mit "werdender Freiheit" (Guardini) zu tun hat und ihrem kulturell-allgemeinbildenden Charakter endlich ein deutlich höherer Stellenwert zukommen muß, scheint sich indes noch nicht überall herumsgesprochen zu haben. Spätestens wenn unser desolates Bildungssystem vollends zusammenbricht, wird man sich wieder daran erinnern.

Anschrift: Pro. Postfach 1869, 35528 Wetzlar. Internet: www.kep.de 


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