© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/04 20. Februar 2004

CD: Roger Whittaker
Auferstanden
Holger Stürenburg

Eigentlich sollte 2000 endgültig Schluß sein. Fast 40 Jahre lang hatte Roger Whittaker (68) auf der Bühne gestanden und Millionen Fans auf der ganzen Welt mit seiner samtweichen Stimme begeistert. Bis zu 300 Konzerte absolvierte er pro Jahr. In den USA galt der studierte Zoologe und Meeresbiologe als erfolgreicher Countrysänger, in Großbritannien liebte man ihn als Interpreten akustischer Folksongs. Hierzulande feierte der in Nairobi geborene Brite seine größten Erfolge mit schmusigem Schlagerpop in deutscher Sprache. Sein Publikum stand fest zu ihm, seine Tourneen schmückten sich regelmäßig mit dem Prädikat "ausverkauft", die jeweils neuen LPs fanden reißenden Absatz.

"Wunderbar geborgen" - dies war das Motto von Whittakers eigentlicher Abschiedstournee vor vier Jahren. Doch das Leben eines Privatiers hielt er nicht aus. Also hieß es vor einem Jahr für den begeisterten Hobbypiloten und Antiquitätensammler: zurück in die Konzertsäle, zurück ins Tourneeleben. Im Mai 2003 gastierte er mit fünfköpfiger Begleitband im Berliner ICC vor ausverkauftem Haus. Der über zweistündige umjubelte Auftritt wurde mitgeschnitten und liegt nun in voller Länge als DVD "Live in Berlin" (BMG-Ariola) vor. Zudem gibt es 18 ausgewählte Stücke des Konzerts (von insgesamt 26 Songs) auf einer gleichnamigen CD.

Sein Alter merkte man ihm nicht an, stimmlich ist Whittaker weiterhin auf der Höhe, doch mit dem Deutschen hapert es noch immer. Was im Studio technisch bereinigt werden kann, läßt sich auf der Bühne nicht verhindern; bei den ersten Nummern hatte Whittaker deutlich hörbare phonetische Probleme. Doch Whittaker ist professionell genug, um dieses Manko mit seinem sympathischen Charme und einer gehörigen Portion Selbstironie schnellstens wettzumachen.

Wir hören die Klassiker "The Last Farewell" - Whittakers mit über elf Millionen verkauften Einheiten weltweit erfolgreichste Single (1976) -, die eingängige Countryballade "River Lady" und das sehnsüchtige Lied über "Durham Town". Dazwischen streut er Stücke aus seinen inzwischen über 20 deutschgesungenen Alben ein. Für die meisten dieser lockeren Lieder zwischen Pop und Schlager war der in Hamburg ansässige Komponist und Produzent Nick Munro verantwortlich, der einst auf die Idee gekommen war, den international bekannten Whittaker hierzulande mit deutschgesungenen Songs zu etablieren, und jetzt für "Live in Berlin" die Studionachbearbeitung sowie die Tonabmischung übernahm.

Mit den Chorsängerinnen Kirstin Campbell und Jane Comerford singt Whittaker mehrere Duette. Er parodiert Rock'n'Roll ("Blue Suede Shoes"), zelebriert zu vielfältiger Percussionbegleitung kenianische Volksweisen in Suaheli ("Baba tu endee") und pfeift sich fröhlich und gewitzt durch den "Sky Boat Song" und den "Mexican Whistler".

Nach ein paar Nummern aus seinem aktuellen Studioalbum und einem Seitenhieb gegen den Irak-Krieg ("Die schneeweißen Tauben") folgen seine größten Hits: "Albany", "Eloisa" und "Abschied ist ein scharfes Schwert" sowie zum Schluß der augenzwinkernde Dauerbrenner "Ein bißchen Aroma", 1986 entstanden als Folge von Whittakers legendärem Werbespot für "Die Krönung von Jacobs-Kafääääää!"

Die DVD-Fraktion kann zusätzlich einen Blick hinter die Kulissen werfen und bekommt eine Kollektion bisher unveröffentlichter Fotos zu sehen. Ein Interview mit Whittaker, seiner Gattin Nathalie, mit der er seit 40 Jahre verheiratet ist, und seiner jüngsten Tochter Jessica (31), die den Vater seit ihrem 16. Lebensjahr sporadisch auf der Bühne begleitet, sowie eine (allerdings unvollständige und chronologisch recht chaotische) Discographie runden das gelungene DVD-Album ab. 


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