© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/04 27. Februar 2004

Rasante Sinnverluste
Kaum Neues zu Heidegger&Co.
Olaf Koehler

Die von Stephan Loos und Holger Zaborowski edierten "Studien zur Geistesgeschichte der Weimarer Republik" liefern im Haupttitel "Leben, Tod und Entscheidung" Stichworte zur geistigen Situation zwischen 1918 und 1933. Doch deren synthetisierende Kraft ist nicht allzu stark. Einige der zumeist mit dem Freiburger Lehrstuhl für Christliche Religionsphilosophie verbundenen Beiträger neigen nämlich dazu, diese Vorgabe der Herausgeber zu ignorieren. So A. Dirk Moses, der sich mit dem "Weimarer Syndrom" in der Bundesrepublik befaßt, oder Christoph Stumpf, der den vergessenen, 1919 verstorbenen Rechtsphilosophen Josef Kohler traktiert, dessen Werk so fürchterlich viel für den Geist Weimars wahrlich nicht hergibt.

Immerhin scheinen aber die übrigen Aufsätze den für die "Goldenen Zwanziger" zentralen Denkern gewidmet: Martin Heidegger, Karl Jaspers, Max Scheler, Carl Schmitt, Helmuth Plessner, Walter Benjamin. Doch auch dieser Eindruck trügt. Soweit wie sie die "Krise der Moderne" reflektieren, den rasanten "Sinnverlust", der sich durch den politischen Wechsel von der Monarchie zur Republik heftig beschleunigte, werden gerade Heidegger und Jaspers in konventioneller, um nicht zu sagen altbackener Manier gedeutet. So thematisiert Zaborowski Heideggers Radikalisierung religiöser Zweifel. Nur ist dies keine Seite Heideggers, die erst noch zu entdecken wäre, sondern sie sind gerade ein fast populäres Charakteristikum seines Denkens. Auch Stephanie Bohlens fahrige Ausführungen zur Lebensphilosophie wirken wie aus dem "dtv-Atlas Philosophie" zusammengerafft, während Alfred Denker die auch nicht neuen hochschulpolitischen Standpunkte von Jaspers und Heideggers referiert.

Mehr als nur biographisch wichtige neue Aspekte steuert eigentlich nur der gelehrte Benediktiner Johannes Schaber bei, der die Beziehungen Schelers, Heideggers und Edith Steins zur Erzabtei Beuron beleuchtet. Der Band bringt also einerseits Abseitiges, andererseits weitgehend Bekanntes und zu wenig, was unser Wissen über die Ideengeschichte der Weimarer Republik erweitert.

Stephan Loos/Holger Zaborowski: Leben, Tod und Entscheidung. Studien zur Geistesgeschichte der Weimarer Republik. Duncker & Humblot, Berlin 2003, 211 Seiten, 68,80 Euro


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