© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/04 27. Februar 2004

Frisch gepresst

Dreißigjähriger Krieg. Wie jeder Strafprozeß bestätigt, ist es schwierig, den objektiven Tatbestand zu ermitteln, dem mutmaßlichen Täter Vorsatz oder Fahrlässigkeit nachzuweisen, zu prüfen, ob nicht Rechtfertigungsgründe vorlagen, und schließlich noch zu fragen, ob nicht vielleicht Umstände gegeben waren, die die Schuld ausschließen. Dank dieses hochdifferenzierten Prüfungsschemas, auf das der Rechtsstaat so stolz ist, kann jeder banale Ladendiebstahl zu einem unentwirrbaren Knäuel aus Wirklichkeit und Lüge werden. Bedenkt man dies, kann man nur staunen, wie eindeutig die "Schuldfrage" bei Ereignissen beantwortet wird, die wohl um einiges komplizierter sind als ein Ladendiebstahl: Kriege nämlich, vor allem Weltkriege. Solange eine politisch-pädagogisch motivierte Zeitgeschichtsschreibung hier "Eindeutigkeit" herzustellen versucht, werden sich Historiker herausgefordert fühlen, solche tradierten Auffassungen zu "revidieren". Zu ihnen zählt auch der Österreicher Heinz Thomann, ein ehemaliger Offizier, der bemüht ist, das Bild von der deutschen "Alleinschuld" vor allem am Kriegsausbruch von 1939 zu korrigieren. Er wird sich dabei allerdings vorhalten lassen müssen, die Forschung der letzten dreißig Jahre fast komplett ignoriert und sich allen Ernstes vollständig auf Autoren wie Walendy, Sündermann, Tansill usw. gestützt zu haben (Von Sarajewo bis Nürnberg. Der zweite Dreißigjährige Krieg. Edition Zur Zeit, Wien 2003, 328 Seiten, 19,90 Euro).

Totalitarismus. Die Terrorismusgefahr, die durch die Attentate vom 11. September 2001 augenfällig wurde, hat in vielen westlichen Staaten zu einer Ausweitung exekutiver Rechte geführt, die in einigen Staaten bereits Eingriffsmöglichkeiten in die Privatsphäre eröffnet, wie sie - aufgrund der technischen Möglichkeiten der Gegenwart - selbst in totalitären Gesellschaften nicht erreicht wurden. Der Ressortleiter Wirtschaft der Neuen Zürcher Zeitung, Gerhard Schwarz, und der Schweizer Bankier Konrad Hummler haben zu diesem "Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit" eine Aufsatzsammlung veröffentlicht, in denen von Alexis von Tocqueville über Hannah Arendt bis zum Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann die "bedrohte Privatsphäre" facettenreich - von persönlichen Freiheitsmerkmalen bis zum Bankgeheimnis - thematisiert wird (Das Recht auf sich selbst. NZZ-Verlag, Zürich 2003, 211 Seiten, gebunden, 33 Euro).


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