© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/04 05. März 2004

Die Goldene Hochzeit findet nicht statt
Literaturbetrieb: Martin Walser verläßt nach bald fünfzig Jahren den Suhrkamp-Verlag und wechselt zu Rowohlt
Andreas Wild

Nun ist es also amtlich: Martin Walser hat den Suhrkamp-Verlag verlassen und geht zu Rowohlt. Er nimmt alle seine Bücher und die Rechte daran mit, wozu ihn eine seinerzeit mit dem verstorbenen Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld getroffene Sondervereinbarung berechtigt. Ein riesiges Lebenswerk begibt sich auf späte Reise, unmittelbar vor der "Goldenen Hochzeit" (50 Jahre Walser/Suhrkamp), die man demnächst hätte feiern können.

Über die Gründe ist kein Zweifel möglich: Walser traut der neuen Verlagschefin Ulla Unseld-Berkéwicz nicht, deren geradezu hemmungslose "Political Correctness" den oft unbequemen und widerspenstigen Autor bei einem Verbleiben wohl tatsächlich in größte Schwierigkeiten und Konflikte gebracht hätte. Walsers Weggang sowie der Weggang wichtiger Verlagsangestellter (Günter Berg, Thorsten Ahrend, Heide Grassnick) von Suhrkamp markiert eine einschneidende geistige Wende in diesem Verlag, und zwar eine Wende zum Schlechteren.

Ob Rowohlt die richtige Adresse für Martin Walser ist? Viele Beobachter hatten erwartet, daß der Schriftsteller zu dem gediegenen Hanser-Verlag in München überwechseln würde oder zu Hoffmann und Campe, wo soeben der ehemalige Suhrkamp-Verlagsleiter und Walser-Vertraute Berg das Ruder übernommen hat. Insofern ist der Wechsel zu Rowohlt eine Überraschung, zumal auch Rowohlt in letzter Zeit einige peinliche Zensurübungen in Richtung "Political Correctness" unternommen hat, man denke nur an die Affäre um Thor Kunkel (JF 7/04).

Doch ob nun Rowohlt, Hanser oder Hoffmann und Campe - ein Zuckerlecken für Walser würde es bei keinem dieser Verlage geben. Wo gibt es das für irgendeinen deutschen Autor, und sei er noch so gut, überhaupt noch? Politische und wirtschaftliche Zwänge, Zensur und Niveausenkung schränken den Spielraum der Literatur hierzulande immer mehr ein. Armes Deutschland!


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