© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/04 05. März 2004

Meldungen

Mehr Migration im Zeichen der Moderne

BADEN-BADEN. Unverdrossen pflegt die etablierte Linke ihre "Politik der Hauptaufgabe". Auch die am "11. September" offenbar gewordene Tatsache, daß "Unvereinbarkeiten" zwischen Kulturen bestehen können, stellt für überzeugte Fürsprecher der "Weltgesellschaft" keinen Irritationsfaktor dar. Und von den härter werdenden Konflikten europäischer "Autochthoner" mit ihren "Parallelgesellschaften" wollen die Anhänger des multikulturalistischen "Projekts der Moderne" schon gar nichts wissen. Deshalb gelangt Silke Ruth Laskowski in ihrer jüngste Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kommentierenden Studie zum "Streit um das Kopftuch" (Kritische Justiz, 4/03) zu einem ideologisch korrekten Resultat. Zwar sei die rechtliche Wertung im Fall der Lehramtsbewerberin durch die staatliche Neutralitätspflicht gedeckt. Doch ein Verbot im privaten Sektor, etwa bei Verkäuferinnen, sei weder durch das Grundgesetz noch durch EU-Recht zu rechtfertigen. Vielmehr sei der Gesetzgeber aufgefordert, das "Problem der Diskriminierung" als "Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Konflikts" zu begreifen. Zur angemessenen Konfliktlösung könne daher nur "ein vernünftiges Migrations- und Zuwanderungsrecht", ein "europäisches Migrationskonzept" beitragen. Also: Mehr Zuwanderung löst bald jeden Kopftuchstreit! Aber vermutlich nur in einer Weise, die für die "aufgeklärte" Verfasserin eher unangenehm werden würde.

 

Die Hohmann-Rede im rationalen Diskurs

HAMBURG. Schade, daß die Hitzephase inszenierter Empörung in Sachen Martin Hohmann schon vorbei ist. Denn nun mangelt es dem Zeithistoriker Christoph Wild für seine aus textkritischer Filigranarbeit gewonnene Einsicht, die Rede des CDU-Bundestagsabgeordneten sei nicht nur "antisemitisch", sondern schlimmer noch: sie enthalte die "Ethnifizierung und Utilitarisierung des Rechts", an erhoffter Aufmerksamkeit. Wildt, der dies in Reemtsmas Hausorgan publiziert (Mittelweg 36, 1/04), übersieht zwar, daß die "Praxis der Exklusion" für ein Rechtssystem im Kapitalismus geradezu konstitutiv ist und nichts mit Funktionalisierung unter ethnischen Vorzeichen zu tun hat, aber schließlich kommt es in der von ihm bevorzugten Form des "rationalen Diskurses" nie auf die Schlüssigkeit des Arguments an. Eine Lehre, die man im selben Heft auch aus Ulrike Jureits kritikresistenter Nachbetrachtung zur Wehrmachtausstellung ziehen darf.

 

Kurze Blüte deutscher Kolonialwissenschaften

WEINHEIM. Die in der Weimarer Republik schon nach Panoptikum duftenden Kolonialvereine bekamen nach 1933 einigen Auftrieb. Daß auch zu NS-Zeiten alle "kolonialen Forderungen" kaum ihr Papier wert waren, weil die Reichsführung deutschen Lebensraum nicht unter Afrikas Sonne suchte, ist bekannt. Daher war den "Kolonialwissenschaften" nur eine kurze Scheinblüte gegönnt, wie Karsten Linne anhand der Entwicklung ihres akademischen Zentrums, der Universität Hamburg, nachweist (Berichte zur Wissenschaftsgeschichte, 4/03), wo man sich immerhin noch 1944 der juristischen Vorbereitung von Kolonialbeamten widmete.


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