© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/04 12. März 2004

Totgesagte leben länger
Österreich: Jörg Haider und seine FPÖ sind alles andere als am Ende
Andreas Mölzer

Da baut einer den totalen Crash, ist völlig fertig, und die mehr oder minder wohlmeinenden Zeitgenossen erklären unisono: Der macht's nicht mehr lange, jetzt ist es aus mit ihm. Und dann steht er wieder auf, "klaubt" sich zusammen, kämpft wieder und siegt auch wieder. So geschehen im Falle von Hermann Maier, dem wohl bedeutendsten österreichischen Skifahrer nach Toni Sailer, Karl Schranz und Franz Klammer. So geschehen aber nicht nur im Bereich des Sports, sondern dieser Tage auch im Bereich der österreichischen Innenpolitik, im Falle des Jörg Haider.

Noch vor zwei Monaten hatten die Meinungsforscher erklärt, Haiders FPÖ liege so deutlich hinter der Kärntner SPÖ, daß rein mathematisch dieser Rückstand niemals aufzuholen sei. Und in den letzten Tagen vor der Kärntner Landtagswahl hat es dann geheißen, es sei ein unglaubliches Wunder, daß Haider es bis zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit seinem roten Herausforderer Peter Ambrozy geschafft habe. Das Ergebnis hat ihn dann über vier Prozent vor einer auch erstarkten SPÖ liegen lassen.

Das Kärntner Wahlergebnis von 1999 mit 42,1 Prozent war bereits eine Sensation. Es war auch die Basis für den freiheitlichen Wahltriumph bei den Nationalratswahlen im Herbst 1999 (österreichweit fast 27 Prozent) und schließlich für die Bildung der blau-schwarzen Wendekoalition im Februar 2000. Daß Haider dieses Ergebnis in Kärnten mit 42,5 Prozent sogar noch übertreffen konnte, ist im Grunde unglaublich.

Im nachhinein sind alle klüger. Die politischen Mitbewerber erklären, er habe halt seinen Landeshauptmann-Bonus voll ausspielen können. Die Meinungsforscher sagen, sie hätten die "unglaubliche Aufholjagd" der blauen Truppe seit Weihnachten ohnedies diagnostiziert. Und die ewigen Mitläufer, die vor Jahr und Tag die Straßenseite wechselten, wenn sie einen Freiheitlichen trafen, und die den, wie sie meinten, "Noch-Landeshauptmann" bei Veranstaltungen allein an der Theke stehen ließen - sie alle waren wieder unter den Jubel-Persern bei den diversen Wahlkampfparties. Vor dem Abend des vergangenen Wahlsonntags hätte aber in Wahrheit niemand geglaubt, daß Jörg Haider sein triumphales Ergebnis von 1999 noch würde steigern können. Und obwohl er vollmundig das eine oder andere Mal das Gegenteil prophezeite - Zweckpessimismus kann nützlich sein -, hat er es wohl selbst nicht geglaubt.

Wer weiß, daß der Kärntner Landeshauptmann - nachdem sein Wahltriumph zweifelsfrei feststand - im kleinen Kreise mehrmals zu Tränen gerührt war, der kann ermessen, unter welchem Druck, unter welcher Spannung und wohl auch Unsicherheit der 54jährige bis dorthin gestanden war. Es ging ja um Sein oder Nichtsein für ihn. Daß er gut abschneiden würde, wußte man, Optimisten hofften, daß er knapp vorne sein würde im Kopf-an-Kopf-Rennen. Daß er aber so deutlich siegen würde, das hat sich dann eben erst am Wahlabend in der "blauen Stunde des Landes" ergeben.

Eine Stunde des Triumphes, die Haider mit bemerkenswerter Demut zu zelebrieren wußte. Totgesagte leben also tatsächlich länger. Und totgesagt wurde Haider bereits mehr als einmal. Als er 1991 aus seiner ersten Landeshauptmannfunktion abgewählt wurde (Haider hatte die "ordentliche Beschäftigungspolitik" in der NS-Zeit mit der der SPÖ verglichen), hieß es bereits: Mit dem Haider ist's vorbei. Und alle zwei, drei Jahre wieder, wenn es eine Krise in der damaligen freiheitlichen Oppositionspartei gab, hörten wir, sein Höhenflug sei zu Ende. Dieses Totbeten und die damit verbundene Ausgrenzung waren es aber, die Haider stetig politisch wachsen ließen.

Zwei Fehler, die seine Gegner auch diesmal - im Falle der Kärntner Landtagswahl - machten. Sie prophezeiten ihm das Ende seiner politischen Karriere, und sie schlossen seine Wiederwahl als Landeshauptmann aus - gerade für die ÖVP eine unheilvolle Strategie, wie die "Schwarzen" schmerzlich zur Kenntnis nehmen mußten. Haiders Gegner vollzogen also wiederum die bereits unter SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky gescheiterte Strategie der Ausgrenzung. Das Resultat kennen wir.

Damit dürfte seine Wiederwahl als Kärntner Landeshauptmann wohl kaum zu verhindern sein. Die Auswirkungen werden weit über die Kärntner Landesgrenzen hinaus spürbar sein. So wie vor gut eineinhalb Jahren die Implosion der freiheitlichen Regierungspartei europaweit zu Rückschlüssen führte, wonach die bösen "Rechtspopulisten", wenn man sie nur Regierungsverantwortung tragen ließe, geradezu zwangsläufig scheiterten, so wird es nun umgekehrte Rückschlüsse geben, daß nämlich populäre Politik mit wertkonservativer Fundierung in den Bedürfnissen der kleinen Leute keineswegs am Ende ist. Das Schreckgespenst vom "Nazi" oder vom "Faschisten" wird man dabei wohl zunehmend seltener an die Wand malen. Man wird zugestehen müssen, daß dieser Haider als längstdienender Spitzenpolitiker der Zweiten Republik bisweilen zwar ein bedenkenloser Populist sein mag, daß er aber ein immer wieder - trotz aller Rückschläge - erfolgreicher Volkstribun zu sein vermag.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung "Zur Zeit".


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