© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/04 12. März 2004

Quacksalber auf der Erfolgswelle: Harmonisiertes Wasser und anderer Nonsens
Das Geschäft mit dem Leid
Steffen Königer

W enn es darum geht, einfachen Bürgern das Geld aus der Tasche zu ziehen, mutieren findige Geschäftsleute zu wahren Nobelpreisträgern ihres Metiers - wenn es für solche Disziplinen Preise zu verteilen gäbe. Vor wenigen Wochen war mit Dr. Matthias Rath einer dieser "Geschäftsleute" in den Schlagzeilen. Der "Begründer der Zellular Medizin", wie er sich selbst nennt, verkauft zu horrenden Preisen den Leuten eine letzte Hoffnung, wenn es um Krebserkrankungen und Herzleiden geht. Devise: Freßt Vitaminpillen, lebt gesund! Ja, natürlich leben (wie auf seiner Netzseite www.drrath.com  betont wird), aber dafür meine Produkte kaufen. Der kleine Unterschied ist, daß ein Monatsbedarf Obst und Gemüse den Geldbeutel um rund 30 Euro schmälert, während die empfohlenen Produkte des Dr. Rath ungefähr das Zehnfache kosten. Die haben dann so lustige Namen wie Vitacor Plus, Osteoforte, Relavit, Metavit oder Epican Forte. Das kostet den überlebensbewußten Kundenstamm des Quacksalbers monatlich bis zu 50 Euro pro Döschen. Aber dafür soll man selbst vom Krebs befreit werden - was vor wenigen Wochen sogar ein Fall für die deutschen Gerichte war.

An seinem Beispiel läßt sich ein wachsendes Problem ausmachen: In den letzten zehn Jahren gab es - auch durch das solche Dinge erleichternde Internet -eine wahre Flut von Heil-Wundermittelchen, die alle Druiden und Schamanen der letzten fünftausend Jahre zusammen nicht hätten herstellen können. Die ganze Geschichte wäre eigentlich Inhalt einer Comedy-Sendung zum Totlachen - wenn nicht immer wieder ganz bewußt mit den Ängsten der Opfer gespielt, Linderung für allerhand Leiden vorgegaukelt würde. Dabei bedienen sich die Überzeugungstäter einfachster psychologischer Methoden. Oft findet man in dieser modischen Gesundheitsszene Phrasen wie "Studien haben gezeigt" oder "Wissenschaftliche Forschungen deuten an". Professor Sowienoch und Doktor Hastenichgesehen hätten Erkenntnisse erhalten und mit ihren Methoden durchschlagende Erfolge erzielt; Halbtote wieder gesund kuriert, Blinde wieder zum Sehen und Lahme wieder zum Gehen gebracht. Das Problem an all diesen "Hobby-Jesussen" ist, daß sie die einzelnen "erfolgreichen" Heilungen oder gar nachweisliche Placebos für die Millionen Unheilbaren als die "letzte Chance" darstellen.

So schießen sie aus dem Boden, all die Magnetfeldtherapeuthen, Vitaminberater, Baumbesprecher und selbsternannten Feng-Shui-Meister. Aus ganz normalen Verkäuferinnen werden auf wundersame Weise Wissenschaftler in Biophysik. Der gestern noch als Waldarbeiter am Rande seiner Existenz stehende Mittfünfziger hält auf einmalMonologe über die Geologie und die Veränderungen des Erdmagnetfeldes. Aber da der Mensch zuviel nachdenkt, wird vorsorglich weitreichender informiert: "Wußten Sie schon, daß diese Ergebnisse auch bei Pferden erzielt worden sind?" Dabei wird ganz unauffällig das eine oder andere Produkt in Spiel gebracht. "Ach übrigens sind meine Schmerzen weg, seitdem ich Magnetsohlen anhabe ...", um dann, Bestätigung heischend, auf den Begleiter zu verweisen: "Stimmt's, Gerda? Sag doch mal, Du hast doch auch eine Schwester, die seither keine Kopfschmerzen mehr hat ...".

Ungemach droht dem, der sich dem durchweg positiven Ergebnissen vorenthält und den angemessen Einwurf "Schwachsinn" laut werden läßt. Da es den Organisatoren an wissenschaftlicher Forschung, Plausibilität und innerhalb kürzester Zeit auch an Wahrheit mangelt, um sich selbst zu verteidigen, greifen sie fast immer auf die gute alte Verschwörungstheorie zurück, um ihre Kritiker zu Verleumdern zu erklären. Da wird das Produkt mit der noch skandalöseren Behauptung verteidigt, daß sich Ärzte und die medizinische Gemeinschaft nicht um die allgemeine Gesundheit kümmern, sondern nur um die eigene Macht. Ein Verschwörer ist jeder, der die revolutionären neuen Heilmittel zu unterdrücken sucht. Das sei Intoleranz, wird belehrt, man werde schon sehen, daß man auf der falschen Seite stehe, und so fort.

Dabei macht es auch das ausgeklügelte Vertriebssystem leicht, Produkte dieses Kalibers zu streuen. Multi-Level-Marketing (MLM) heißt das Zauberwort, das das verbotene Schneeball-System nur allzu schlecht maskiert. Es ist eine organisierte Pyramide, in der die Einnahmen nach oben sprudeln, zu den wenigen an der Spitze. Um an der Basis in den niederen Rängen Geld zu verdienen, müssen noch niederrangigere Verkäufer rekrutiert werden - das nennt sich dann "Upline" und "Downline". Die Folge ist ein geometrisches Anwachsen, das schnell den Markt sättigt und ihn eindrucksvoll und "nachhaltig" begrenzt. Ein weiterer Vorteil des MLM ist, daß durch Propaganda auf zahlreichen Veranstaltungen und durch ihre eigene, anekdotenhafte Erfahrung mit den Tugenden des Produktes aus Kunden in der Folge konvertierte, eifrige und ernsthafte Verkäufer werden. Da immer mehr Kunden zu Verkäufern werden, geködert mit dem Versprechen leichter Profite und mit dem aufrichtigen Wunsch, die Neuigkeit zu verbreiten, die sie als erstaunliche Entdeckung wahrnehmen, fließt immer mehr Geld an die Spitze der Pyramide.

Der letzte Schrei auf diesem Markt ist zur Zeit ein kleines Plastikkärtchen der Firma "Urmoor", welches sich der nur um die Gesundheit seiner Mitmenschen Besorgte unter die Kaffeetasse legt - natürlich mit dem Vorsatz, doch endlich eine Frage nach dem Warum zu provozieren. Ist die erfolgt, kann es auch schon losgehen: "Damit harmonisiere ich mein Wasser." Was dann kommt, würde jedem Trekki ein Maximum an Aufmerksamkeit abverlangen - jedenfalls wähnt man sich bei all den Fremdbegriffen urplötzlich mitten auf der Enterprise. "Ich erkläre Dir mal das Zapf-System anhand des H.U.L.E.B." (hä - neue Galaxie?) "Zuerst wird eine harmonikale Resonanzfrequenz erzeugt ..." (Spock im Spiel?), "... dann auf mehrfache Lichtgeschwindigkeit beschleunigt ..." (Warp 4?) "... und in den Hohlraumresonator gebracht." (Beam me up, Scotti!) "Und dann sind Milliarden an Urinformationen auf diesem Medium gespeichert." Dermaßen neugierig gemacht ist die Ernüchterung auf der Netzseite groß: www.urmoor.de  bringt Licht ins Dunkel und läßt fürchten, daß noch so mancher etwas von den großen Erfolgen und den unglaublichen Produkten erzählt bekommt. Für rund 80 Euro gibt's besagtes Kärtchen, Amulette und dergleichen mehr sollen auch für Umsatz sorgen.

Der Weinkenner freilich, dem ein solches Kärtchen unter sein Glas mit einem teuren und seltenen Rotwein gestellt wurde, um ihn zu "harmonisieren" und "weicher im Geschmack" zu machen, bekam einen Wutanfall: "Ich habe Jahre gebraucht und viel Geld bezahlt, um diesen Wein zu finden, der mir schmeckt. Wenn der jetzt weicher wird und anders schmeckt, dann kannst Du was erleben!" Manchmal kommt's eben anders ...


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