© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/04 19. März 2004

Frisch gepresst

Nordlichter. Schleswig-Holstein, wo nach dem Wort von Theodor Heuss auch der Weltuntergang mit fünzigjähriger Verspätung stattfinden soll, ist diesmal früh dran und hat sich dem gut zehn Jahre alten "Diskurs" über "kollektives Gedächtnis" und "Erinnerungsorte" angeschlossen. Der von Bea Lundt, einer Flensburger Exponentin der Historischen Frauenforschung, herausgegebene Band enthält einige thematisch und methodisch konventionelle Beiträge über das historische Selbstverständnis der Friesen und der dänischen Minderheit, einen die emotionalen Fundamente des Heimatbewußtseins leider ignorierenden Aufsatz über touristisch genutzte "Geschichtsvermittlung" am "Ochsenweg" zwischen Flensburg und Hamburg und nicht eben tiefgrabende Reflexionen zum Thema "schleswigholsteinisches Selbstverständnis". Mit einer politisch inkorrekten Pointe endet Jan Rüdigers Essay über das vom historischen Gedächtnis ausgeblendete Landesmittelalter, während der Marinehistoriker Jörg Hillmann in Sachen "Mythos Dönitz" das volkspädagogische Plansoll derart übererfüllt, daß er distanzierende Anführungszeichen benutzt, wenn er von "deutschen" Provinzen spricht, aus denen 1945 Flüchtlinge über die Ostsee abtransportiert wurden (Nordlichter. Geschichtsbewußtsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe. Böhlau Verlag, Köln 2004, 462 Seiten, Abbildungen, 34,90 Euro).

Henning von Tresckow. Sicherlich ist es hauptsächlich dem bevorstehenden sechzigsten Jahrestag des Hitler-Attentates vom 20. Juli 1944 geschuldet, daß die bereits 1973 erschienene Biographie des Generalmajors Henning von Tresckow neu aufgelegt wurde. Wie der Autor Bodo Scheurig im Vorwort selbstsicher anmerkt, hat seine damalige Arbeit in der Neuauflage keine wesentliche Überarbeitung erfahren, da die "damaligen rechtzeitigen Zeugenbefragungen (...) dem Buch eine sichere Grundlage bieten". Besonders gelte dies für die "indiskutable", "jede Regel der seriösen Forschung verletzende" Arbeit Christian Gerlachs aus dem Dunstkreis Reemtsmas, der die Rolle Tresckows als "Angehörigen der Täterarmee" und seine vom "Potsdamer Abkommen" abweichende Nachkriegskonzeption 1999 abgeurteilt hatte. Auch fokussiert Scheurig sein Bild nicht auf den "Antifaschismus", sondern betont weiterhin die These "Was 1944 zählte, war die Rettung Deutschlands" - nach dreißig Jahren bei manchem wahrscheinlich nur schwer vermittelbar (Henning von Tresckow. Ein Preuße gegen Hitler. Propyläen Verlag, Berlin 2004, 287 Seiten, 22 Euro).


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen