© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/04 19. März 2004

Frisch gepresst

Alldeutsche. Die "Koordinationsinstanz des gesamten rechten Spektrums" der wilhelminischen Ära und "geistiger Wegbereiter" des Radikalnationalismus der NSDAP: so zitiert der Hamburger Archivar Rainer Hering gängige zeithistorische Urteile über den 1890 gegründeten Alldeutschen Verband (AV). Organisatorische Strukturen, ideologische Grundlagen und die Interessenpolitik des AV sind inzwischen gut erforscht. Zuletzt hat Michel Korinman seine Monographie über den "Pangermanismus" auf den AV konzentriert. Sie erschien 1999 in Paris, sei Hering aber, obwohl er noch Literatur von 2003 zitiert, erst "nach Abschluß des Manuskriptes zugänglich" gewesen. Hering urteilt zwar abgewogener, kann aber nur im Kapitel über die starke Hamburger AV-Ortsgruppe Redundanzen vermeiden. Ausgerechnet dort, wo Originalität möglich gewesen wäre, in dem von Hering reklamierten Anschluß an die neuere Nationalismusforschung und ihrem modischen Paradigma der konstruierten Identität (JF 7/04), verfehlt der Autor selbstgesteckte Untersuchungsziele. Denn bei der Suche nach "Motiven" der "Konstrukteure" des Nationalen bleibt er in diffusen Zuschreibungen über die "Bedrohungsängste des Bildungsbürgertums" hängen, verweist auf "Größen- und Verfolgungswahn" der von "vermeintlichen" Feinden umgebenen Deutschen (Konstruierte Nation. Der Alldeutsche Verband 1890 bis 1939. Christians Verlag, Hamburg 2003, 600 Seiten, Abbildungen, 34,80 Euro).

Strizz und Co. Seit dem 21. Mai 2002 klingt das Feuilleton der FAZ täglich außer sonnabends mit einem Comic aus. Die menschlichen Hauptrollen spielen darin der von Lebensdurst gequälte Buchhalter Strizz, seine Freundin Irmie, sein philosophierender Neffe Rafael und sein Arbeitgeber, Herr Leo. Ihrem Schöpfer, dem Zeichner Volker Reiche, geht in letzter Zeit offenkundig der Gesprächsstoff aus, ein Hauch von Langeweile macht sich breit. Eine Tendenz, die in den jetzt in Buchform konzentrierten Folgen des Jahres 2002 klar erkennbar ist. Um so mehr gewinnt die einleitend von Andreas Platthaus zu Recht so genannte "markanteste" Figur des Comic an Profil: Kater Paul, korrekt "Herr Paul". Der vierbeinige Zyniker, großmäulig, herrschsüchtig, ruhmgierig, kurz "streng, aber gerecht" (Paul über Paul), schaffte den Durchbruch zum kulturellen Hegemon dieser Serie (Strizz. Das erste Jahr. C. H. Beck, München 2004, 185 Seiten, 9,90 Euro).


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