© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/04 19. März 2004

Zeitschriftenkritik: Gegengift
Ein kunterbunter Teppich
Thorsten Thaler

Häufig weiß man den Wert von Dingen erst zu schätzen, wenn sie nicht mehr da sind. So ging es einem im generell nicht durch überreiche Vielfalt gesegneten Bereich der konservativen Publizistik zuletzt mit der Zeitschrift Gegengift. Nachdem das von Michael Ludwig zweiwöchentlich herausgegebene Heft im DIN A 5-Format Anfang Januar 2002 aus wirtschaftlichen Gründen überraschend eingestellt wurde (JF 4/02), machte sich dessen Verlust erst in den Wochen danach richtig bemerkbar. Plötzlich fehlten wichtige Debattenbeiträge von Autoren, die bei aller Unterschiedlichkeit in den Positionen doch stets Denkanstöße zu geben vermochten.

Jetzt meldet sich der inzwischen nach Spanien ausgewanderte Michel Ludwig wieder zurück. Das neue Gegengift erscheint nun im Taschenbuchformat mit 100 Seiten und einer veränderten inhaltlichen Ausrichtung, die sich auf die Formel bringen läßt: weniger klassische Politik, dafür mehr Kultur. Zur Standortbestimmung der Zeitschrift, für die Ludwig sich die Fackel von Karl Kraus als Vorbild erkoren hat, schreibt der Herausgeber in seinem Vorwort: "Für den couragierten Journalismus bedeutet es eine tödliche Gefahr, sich mit der scheinbaren Objektivität zu wappnen, wo es doch darauf ankäme, nicht objektiv zu sein, sondern die eigene, individuelle Meinung in die Waagschale zu werfen. Statt dem zähen Brei der Einheitsmeinung wollen wir vor dem Leser den bunten Teppich des Subjektivismus ausbreiten."

Die meisten Texte stammen von Michael Ludwig selbst, außer ihm sind nur noch die früheren Gegengift-Autoren Richard Christ, Ulrich Schacht und Heimo Schwilk vertreten. Schwilk, ehedem politischer Apologet einer "Selbstbewußten Nation", hat fünfzehn Gedichte beigesteuert, von Schacht stammt unter anderem die Erzählung "Kleine Paradiese", die bereits im August voriges Jahres in der Zeitschrift Merkur erschienen ist. Richard Christ schreibt über seine Wahlheimat Berlin im Wandel der Zeiten, Michael Ludwig neben einem "Tagebuch der Zeit" über Martin Hohmann und Walter Jens, Pfaffenhofen und Wolznach, einem "bedeutungslosen Ort" (Ludwig) nördlich von München. Abgerundet wird das Heft durch geschmäcklerische Kanzlerwitze und ein launiges Impressum, zu dem Pankraz in seiner Kolumne (JF 11/04) das Nötige gesagt hat. Das alles liest sich zügig, gefällig und ohne Anstrengung.

Gerade deshalb aber hinterläßt das neue Gegengift einen ambivalenten Eindruck. Am meisten stört der Anschein von Beliebigkeit, das Fehlen einer übergeordneten Idee, die nichts mit jener Homogenität zu tun hat, von der Michael Ludwig in seiner Einleitung zwar zu Recht behauptet, sie wäre mit Autoren, deren Rückgrat die Individualität sei, ohnehin nicht herzustellen und außerdem langweilig. Doch will der Leser auch nicht völlig ratlos zurückbleiben. Natürlich kann es nicht darum gehen, auf ausgetretenen Pfaden alte Gewißheiten zu reproduzieren, aber ein wenig mehr geistige Anregung dürfte eine Zeitschrift, die sich Gegengift nennt, schon bieten.

Bezugsadresse: Gegengift-Verlag, Gerstenstraße 2, 85276 Pfaffenhofen. Das Heft kostet 10 Euro.


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